Wie lange geht die Party? Chancen und Risiken für die Konjunktur

Wiesbaden · Die Zinsen sind niedrig, die Unternehmen in Toplaune, der Export boomt - die deutsche Wirtschaft präsentiert sich in glänzender Verfassung. Wie lange hält der Schwung?

 Die exportorientierte deutsche Wirtschaft profitiert von der Erholung der globalen Konjunktur.

Die exportorientierte deutsche Wirtschaft profitiert von der Erholung der globalen Konjunktur.

Foto: Christoph Schmidt

Die deutsche Wirtschaft läuft auf Hochtouren und glänzt mit einem unerwartet kräftigen Wachstum im dritten Quartal. Um 0,8 Prozent stieg das Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorquartal.

Zahlreiche Ökonomen hatten zuletzt ihre Konjunkturprognosen für Europas größte Volkswirtschaft angehoben, manche legten nun noch einmal nach. "Alles in allem steht die deutsche Wirtschaft noch vor einigen Jahren mit hohem Wachstum", sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer voraus. Was spricht für eine Fortsetzung des Booms, was dagegen?

CHANCEN

- Konsum: Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist historisch gut, Sparen wirft wegen der Niedrigzinsen im Euroraum kaum noch etwas ab. Das schiebt den Konsum an. Zuletzt gab es allerdings einen kleinen Knick. Im Zeitraum Juli bis September stagnierten Konsumausgaben in etwa auf dem Niveau des Vorquartals. Die Stimmung der Verbraucher trübte sich nach Befragungen der Nürnberger GfK vor allem wegen der Preisentwicklung leicht ein. Insbesondere Nahrungsmittel waren in den vergangenen Monaten teurer geworden. Der GfK zufolge reagieren Verbraucher besonders sensibel auf Preiserhöhungen von Produkten, die sie häufig kaufen. Mit einem Einbruch des privaten Konsums rechnen Ökonomen jedoch nicht. "Der starke Arbeitsmarkt zusammen mit einer niedrigen Inflation und höheren Löhnen sind weitere Garanten für künftiges Wachstum", argumentiert ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski.

- Erholung der Weltwirtschaft: Die exportorientierte deutsche Wirtschaft profitiert von der Erholung der globalen Konjunktur, die die Nachfrage nach "Made in Germany" ankurbelt. In den ersten neun Monaten gingen Waren im Wert von 954,7 Milliarden Euro ins Ausland, das waren 6,3 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. "Auch die verbalen Störfeuer aus den USA seit einem Jahr konnten die Erholung der Weltwirtschaft nicht stoppen", sagt Holger Bingmann, Präsident des Außenhandelsverbandes BGA.

- Stabilisierung der Eurozone: Der gemeinsame Währungsraum hat nach Einschätzung des IWF seine Krise weitgehend überwunden. Die Zustimmung zur Währungsunion sei in den Mitgliedsländern auf Rekordniveau, sagte IWF-Europadirektor Poul Thomsen jüngst. "Und das, obwohl noch vor wenigen Jahren pure Existenzangst herrschte." Europa insgesamt wird nach Einschätzung des IWF immer mehr zur Zugmaschine der Weltwirtschaft.

- Lockere Geldpolitik: Europas größte Volkswirtschaft profitiert von der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Verbraucher und Unternehmen kommen billiger an Geld. Das stärkt die Bereitschaft, zu investieren. Zwar haben die Währungshüter den Einstieg aus dem Ausstieg ihrer milliardenschweren Anleihekäufe eingeleitet, die Zinsen sollen aber lange noch über das Ende des Kaufprogramms hinaus niedrig bleiben, wie EZB-Präsident Mario Draghi immer wieder betont.

RISIKEN

- Überhitzung: Die "Wirtschaftsweisen" sehen angesichts des ungewöhnlich langen Aufschwungs die Gefahr, dass die Konjunktur heiß läuft. Die deutsche Wirtschaft befinde sich in einer Überauslastung, warnt das Beratergremium der Bundesregierung. Folge können Engpässe bei der Produktion sein, wenn Unternehmen bei weiter steigenden Aufträgen nicht schnell genug mit den nötigen Investitionen nachkommen oder keine Arbeitskräfte mehr finden. Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft wies unlängst darauf hin, dass insbesondere in der Baubranche mehr und mehr Unternehmen darüber klagten, dass ein Mangel an Arbeitskräften ihre Produktion beeinträchtige.

- Eurostärke: In den vergangenen Monaten hatte der Euro gegenüber US-Dollar und Co. an Stärke gewonnen. Waren "Made in Germany" werden dadurch außerhalb des gemeinsamen Währungsraumes tendenziell teurer, das kann die Nachfrage dämpfen. "Der Wachstumsimpuls aus dem Ausland könnte in den kommenden Quartalen allein aufgrund des zuletzt stärkeren Euro-Außenwertes mit etwas Verzögerung geringer werden", argumentiert BayernLB-Ökonom Stefan Kipar.

- Handelsbarrieren: US-Präsident Donald Trump steht Freihandel kritisch gegenüber, zuletzt verhängten die USA Strafzölle gegen Flugzeugimporte des Nachbarn Kanada. Zwischen der EU und den USA gibt es Streit um Stahlimporte. Ein Dorn im Auge sind dem Republikaner auch Deutschlands Überschüsse im Handel mit den USA. IWF-Chefin Christine Lagarde mahnte jüngst, der freie Welthandel habe in den vergangenen Jahrzehnten zu Wachstum und Wohlstand geführt: "Wir müssen das sichern."

- Immobilienblase: Günstige Hypothekenkredite fachen die Immobiliennachfrage an. Vom Bauboom profitiert die deutsche Wirtschaft insgesamt, zugleich steigen allerdings die Preise für Wohnimmobilien zum Teil extrem. Das gilt vor allem für Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart. Die Gefahr einer Immobilienblase sahen die amtlichen Gutachterausschüsse zuletzt aber noch nicht. Die Hypothekenschulden seien verglichen mit den verfügbaren Einkommen noch nicht hoch, "so dass noch lange nicht von einer Blase am deutschen Immobilienmarkt gesprochen werden kann", gibt Ökonom Krämer Entwarnung.

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