51 Verdächtige in U-Haft Bund sagt nach G20-Krawallen Linksextremen den Kampf an

Wie soll die Politik auf die Gewalt von Hamburg reagieren? In der Stadt laufen die Ermittlungen - Dutzende Verdächtige sind in U-Haft. Bundesweit sind Linksextreme im Visier der Politik.

"Die Ereignisse rund um den G20-Gipfel müssen auch eine Zäsur für den Blick auf die Gewaltbereitschaft der linksextremistischen Szene sein", sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Montag in Berlin. In Hamburg sitzen 51 Verdächtige in Untersuchungshaft. Die Polizei richtet eine Sonderkommission ein, um Gewalttäter und Strippenzieher zur Rechenschaft zu ziehen.

Den Tatverdächtigen wird unter anderem schwerer Landfriedensbruch zur Last gelegt. Weitere Vorwürfe lauten auf gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung.

Ein 27-jähriger Deutscher wird wegen versuchten Mordes belangt. Er soll den Piloten eines Polizeihubschraubers per Lasergerät gezielt geblendet haben. Bei den Beschuldigten handele es sich überwiegend um junge Männer unter 30 Jahren. Neben zahlreichen Deutschen säßen auch Staatsbürger aus Frankreich, Italien, Spanien, Russland, den Niederlanden, der Schweiz und Österreich in Haft.

Bürger schickten Tausende Videos und Bilder an die Polizei, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. Bilder von maskierten und unmaskierten mutmaßlichen Tätern gingen ein. "Es ist eine Flut von Informationen, die jetzt durchermittelt werden müssen." Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) kündigte im NDR an, aufgeklärt werden solle auch, wer Gewalttäter eingeladen, beherbergt und gedeckt habe.

De Maizière sagte, künftig müsse man noch mehr mit heftigsten Gewaltausbrüchen von Linksextremisten rechnen. Die Täter verglich er mit Neonazis und islamistischen Terroristen. "Es darf in den Städten unseres Landes keine tolerierten Rückzugsräume für Gewalttäter geben - das gilt in Hamburg, das gilt in Berlin und das gilt überall anders auch." In Hamburg erwarte er harte Verurteilungen. "Auf Landfriedensbruch steht eine mehrjährige Haftstrafe."

Polizisten, die bei den Krawallen dabei waren, berichteten von Angst und dem Gefühl, alleingelassen zu werden . "Das ist das Schlimmste, was ich als Bereitschaftspolizist erlebt habe", zitierte die Gewerkschaft der Polizei etwa einen Beamten.

Im Schanzenviertel war es am Rande des Gipfels um das linksautonome Zentrum Rote Flora zu Plünderungen und Gewalttaten gekommen. Rund 500 Polizisten wurden verletzt. Auch in Altona brannten Dutzende Autos. Am Montag ließen sich Anwohner in von der Polizei eingerichteten Infomobilen helfen, Anzeige zu erstatten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte erneut mehr Polizisten und eine bessere Ausrüstung in Aussicht. "Wir haben am Wochenende gesehen, wie wichtig das Thema innere Sicherheit ist und wie wir auch unseren Sicherheitskräften danken müssen dafür, dass sie gegen jede Form von Gewalt entschieden vorgehen", sagte die CDU-Vorsitzende. CDU und CSU versprechen in ihrem gemeinsamen Wahlprogramm 15 000 zusätzliche Polizisten bei Bund und Ländern. CSU-Chef Horst Seehofer brachte eine noch kräftigere Aufstockung ins Gespräch.

Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) wies Rücktrittsforderungen der Hamburger CDU zurück. Ihm wird Verharmlosung der Gefahren im Vorfeld vorgeworfen. Scholz forderte Konsequenzen für die Anmelder gewalttätig ausgearteter Demonstrationen. Die künftige Existenz des Linken-Zentrums Rote Flora stellte er infrage. "Auch das muss diskutiert werden", sagte er dem "Hamburger Abendblatt".

Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nahmen Schulz in Schutz. Schulz sagte, Gewalttäter hätten eine Stadt in Geiselhaft genommen: "Das hat Züge von Terrorismus."

Mehrere Unions- und FDP-Politiker riefen nach einer härteren Gangart gegen Linksextreme. CSU-Innenexperte Stephan Mayer sagte der "Rheinischen Post": "Die Senate in Hamburg und Berlin dürfen auch nicht länger Hausbesetzungen durch die linksextremistische und autonome Szene und damit rechtsfreie Räume in der Roten Flora und der Rigaer Straße dulden." FDP-Chef Christian Lindner sagte, die Rote Flora oder die von Autonomen bewohnte Rigaer Straße in Berlin seien "Biotope, über die Gewaltexzesse vorbereitet werden". SPD, Linken und Grünen warf er falsche Toleranz gegenüber Linksextremismus vor.

De Maizière betonte, auch künftig werde es Gipfelveranstaltungen in deutschen Großstädten geben - alles andere sei ein Kapitulation vor Gewalttätern. Justizminister Heiko Maas (SPD) sorgte für Kritik mit seiner Ankündigung in der "Bild"-Zeitung: "In einer deutschen Großstadt wird es nie wieder einen solchen Gipfel geben."

Maas forderte eine europaweite Extremisten-Datei. "Wir haben im Extremistenbereich keine ausreichende Datengrundlage in Europa." Eine große Zahl der Gewalttäter sei aus dem Ausland nach Hamburg gekommen.

Grünen-Chefin Simone Peter sagte: "Populistische Schnellschüsse sind in keinster Weise angebracht." Der Linken-Chef Bernd Riexinger stellte klar: "Die Linke hat mit dem Linksextremismus (...) gar nichts zu tun." Angesichts magerer Gipfelergebnisse solle man den nächsten G20-Gipfel umgehend abblasen. Die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel forderte ein Verbot gewaltbereiter Antifa-Gruppen.

Weitere Infos

  • Das Schanzenviertel liegt im Herzen der Hansestadt. Es war lange Jahre ein linksorientiertes, alternatives Altbauviertel mit günstigen Mieten, ist über die Jahre aber stark gentrifiziert worden. Heute ist der Bezirk geprägt von sanierten Häusern mit entsprechend hohen Mieten, gut verdienenden Kreativen, Kneipen, Bars, szenigen Plattenläden und Boutiquen.

Aber es gibt eine Ausnahme: An der zentralen Straße Schulterblatt dominiert unübersehbar das linksautonome Kulturzentrum "Rote Flora". Seit fast 30 Jahren besetzt, gilt das ehemalige Theatergebäude bundesweit als eines der wichtigsten Zentren der autonomen Szene. Auch wenn die "Flora" am 1. Mai stets geschlossen ist, werden die Krawalle am Tag der Arbeit regelmäßig den dortigen Linksautonomen zugeschrieben.

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