Analyse: Zerlegt Pegida sich selbst?

Berlin/Dresden · Plötzlich führungslos: Nach dem Rücktritt des früheren Frontmanns Lutz Bachmann wegen "Hitler"-Selfie und Ausländerbeleidigungen schmeißt nun gleich die Hälfte der Pegida-Führung hin.

Darunter ist auch das "neue Gesicht" der islamkritischen Bewegung, Kathrin Oertel. Grund soll ein Streit über die Rolle Bachmanns und die künftige Ausrichtung des zwölfköpfigen Organisationsteams sein. Pegida selbst spricht auf der Facebook-Seite von massiven Anfeindungen und Drohungen, die Oertel zu der "Auszeit" bewogen hätten. Doch wer spricht da eigentlich im Namen der Bewegung? Und bedeutet das Chaos an der Spitze das Aus für Pegida?

Es lief schon lange nicht rund bei den selbsternannten "Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes". Doch dass gleich die ganze Führungsriege auseinanderbricht, kommt völlig überraschend.

Bachmann sorgte von Anfang an für Unruhe und Unmut in der Pegida-Spitze. Schon vor Monaten kam seine zwielichtige Vergangenheit ans Licht - inklusive Vorstrafen wegen Einbruchs- und Drogendelikten. Damals kündigte er schon einmal an, sich aus der ersten Reihe der Bewegung zurückzuziehen. Aber er tat es nicht. Und auch nachdem wüste Beschimpfungen von ihm gegen Ausländer öffentlich wurden, verkündete er zwar seinen Rückzug. Aber Bachmann verschwand wieder nicht.

Einigen aus der Pegida-Spitze wurde es nun zu viel. Bachmann habe sich nicht in dem Maße zurückgezogen, "wie wir uns das wünschen", sagt einer der Aussteiger, das AfD-Mitglied Achim Exner. "Bislang hat sich Pegida auf die bürgerliche Mitte konzentriert, derzeit gibt es jedoch eine Tendenz zum rechten Rand, die wir nicht mittragen können." Auch René Jahn, der ebenfalls den Führungszirkel verlassen hat, schimpft, es könne nicht sein, dass sich Pegida in aller Deutlichkeit von Bachmanns Äußerungen distanziere, dieser aber im Organisations-Team bleiben wolle. "Mit diesem Nazi-Zeug und den rechten Äußerungen möchte ich nichts zu tun haben."

Bachmann stellt die Sache anders dar. Oertel habe sich zurückgezogen, weil sie aus Antifa-Kreisen massiv bedroht worden sei. Nun müsse ein neuer Vorstand gewählt werden. Übernimmt Bachmann wieder die Führung? Er verneint. Dafür stehe er nicht zur Verfügung. "Ich bin auch froh, dass ich draußen bin. Ich will gar nicht mehr."

Und Oertel? Von ihr persönlich ist zunächst nichts zu hören. Sie sollte nach dem Bachmann-Rückzug das neue, saubere Gesicht der Pegida sein - ohne kriminelle und fremdenfeindliche Vergangenheit. Doch dieser Plan hatte nicht lange Bestand.

Ist Pegida nun am Ende? Die Meinungen der Experten gehen auseinander. Der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke sieht keine Zukunft mehr für das Bündnis. Das Chaos an der Spitze sei der Anfang vom Ende. "Man kann keine Bewegung erhalten, die in sich zerstritten ist und nicht weiß, was sie will", meint er. "Es spricht viel dafür, dass die Bewegung in dieser Form bald zerfallen wird." Das Aufbauen von Feindbildern - gegen Muslime und Zuwanderer - genüge nicht, um die Bewegung zusammenzuhalten. "Das Faszinosum ist längst weg."

Der Extremismus-Experte Timo Reinfrank ist zurückhaltender. "Ich glaube noch nicht, dass dies das Aus ist", sagt er. Reinfrank arbeitet für die Amadeu-Antonio-Stiftung, die Initiativen gegen Rechtsextremismus unterstützt. Pegida hänge nicht an einzelnen Personen, meint er. "Personalfragen haben für die meisten Leute, die da auf die Straße gehen, keine Relevanz." Mehrere Mitglieder, die sich nun aus der Pegida-Spitze zurückgezogen hätten, seien bislang ohnehin so gut wie gar nicht öffentlich in Erscheinung getreten.

Aber auch Reinfrank glaubt nicht, dass die Bewegung noch weiter wachsen wird - in vielen Städten werde sie eher ganz verschwinden, meint er. Bei der jüngsten Demonstration am vergangenen Sonntag in Dresden zeigte sich bereits, dass die Anziehungskraft der Bewegung ihre Grenzen hat. Rund 17 000 Menschen brachte das Bündnis dort auf die Straße. 25 000 waren es bei dem Mal zuvor gewesen. Die Teilnehmerzahl ging also erstmals zurück.

Der Dresdener Politologe Werner Patzelt meint, die nächste Demonstration werde zeigen, wie es mit Pegida weitergeht, ob die Bewegung nun nach rechts rückt und "ob sich nur vielleicht 600 oder 900 Rechtsradikale einfinden statt den Tausenden der letzten Male". Die "Stunde der Wahrheit", wie Patzelt es nennt, verzögert sich aber: Die geplante Demonstration für den kommenden Montag hat Pegida nach dem Personal-Debakel erst einmal abgesagt.

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