Analyse: Merkels Erklärung zum Krieg am Weltfriedenstag

Berlin · Der Tag hat in diesem Jahr seinen Namen nicht verdient. Es ist Weltfriedenstag, aber 75 Jahre nach dem deutschen Überfall auf Polen herrscht kein Frieden auf der Welt.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterhält sich im Bundestag in Berlin. Foto: Rainer Jensen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterhält sich im Bundestag in Berlin. Foto: Rainer Jensen

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Es ist Krieg zwischen Israelis und Palästinensern, zwischen ukrainischen Regierungstruppen und russischen Kräfte. Und in Syrien und im Irak bringt die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) Andersdenkende unvorstellbar grausam um.

An diesem Montag, dem 1. September, genau 75 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs durch Hitler-Deutschland, debattiert der Bundestag in einer Sondersitzung über Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak zum Kampf gegen den IS.

Für Oppositionsführer Gregor Gysi ist die Wahl ausgerechnet dieses Tages für die Beratung stillos. Er fordert ein Verbot jeglicher Waffenlieferungen, weil sie noch mehr Tod und Verderben bedeuteten. Für Unionsfraktionschef Volker Kauder ist das Datum dagegen eine bewusste Botschaft. Für ihn ist die Lieferung von Panzerabwehrraketen und Gewehren ein Beitrag zum Frieden.

Eine schwierige Debatte, geprägt von Emotionen angesichts der Massaker an Jesiden im Irak. Geprägt von Ungläubigkeit, dass Russlands Präsident Wladimir Putin trotz aller Vereinbarungen zu territorialer Integrität ukrainisches Gebiet beansprucht. Von der Sorge, dass der Ukraine-Konflikt am Ende auf das Baltikum übergreift und dann die Nato in einen Krieg ziehen muss. Und geprägt von Gewissensfragen von Politikern, ob gerade Deutschland, der einstige Aggressor und Kriegsführer, Waffen in ein Krisengebiet liefern soll.

Die Bundeskanzlerin will dem Parlament und den Bürgern ihre Haltung in einer mit Spannung erwartete Regierungserklärung darlegen. Angela Merkel hält erfahrungsgemäß keine großen Reden. Sie rüttelt nicht auf, sie ist nicht pathetisch, sie legt sich ungern fest. Oft erkennt man keine große Linie. Auch diesmal wird man nicht von einer großen Rede sprechen. Viele Fragen bleiben offen.

Dennoch sind einige Botschaft ihrer 25-minütigen Rede an diesem 1. September eindeutig: Deutschland hat durch die Ermordung von sechs Millionen Juden und seine Schuld im Zweiten Weltkrieg eine nie endende geschichtliche Verantwortung, anderen Ländern in der Not zu helfen. 2014 trägt Deutschland auch deshalb Verantwortung, weil es deutsche Kämpfer in der IS-Truppe gibt. Aber Deutschland will möglichst einen Einsatz eigener Soldaten verhindern und schickt deswegen Waffen - und humanitäre Güter.

Merkel betont: "Für die Bundesregierung ist klar, dass sich kein Konflikt der Welt allein militärisch lösen lässt." Ohne einen politischen Prozess gehe es nicht. Jedoch: "Es gibt immer wieder Situationen, wo nur noch militärische Mittel helfen, um wieder eine politische Option zu schaffen." Merkel sagt: "Jedes Mal ringen wir um den richtigen Weg." Man merkt es ihr an.

Doch Merkel sagt nichts zum Vorwurf, die schwarz-rote Bundesregierung militarisiere ihre Außenpolitik. Sie lässt auch offen, ob die Lieferung von Waffen an die Kurden ein Paradigmenwechsel ist. Gibt es wirklich eine "neue deutsche Außenpolitik"? Wie wird die Regierung künftig Anfragen zu Waffenlieferungen beantworten? Wie passt die restriktive Rüstungsexportpolitik von Vizekanzler Sigmar Gabriel zur jetzigen Entscheidung?

Angela Merkel ist keine Pazifistin. Sie hat deutsche Soldaten in Einsätze auf den Balkan, nach Afghanistan und nach Afrika geschickt. Sie hat sich über den Tod von Osama bin Laden gefreut und sich jetzt für die Waffenlieferungen in den Nordirak entschieden.

Der Bundestag folgt ihr mit großer Mehrheit. In der SPD ist allerdings ein deutliches Unbehagen zu spüren. 22 Abgeordnete sind gegen die Waffenlieferungen. Fraktionschef Thomas Oppermann macht in seiner Rede deutlich, dass es sich um Nothilfe handelt und kein Präzedenzfall geschaffen werden soll.

Im Koalitionsantrag, über den der Bundestag abstimmt, ist an der entscheidenden Stelle nicht von "Waffen", sondern von "Militärgerät" die Rede. Der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour mokiert sich in seiner Rede über die Verharmlosung. "Das wird der Ernsthaftigkeit des Themas nicht gerecht." Die Opposition lehnt die Waffenlieferungen mehrheitlich ab - und steht damit auf der Seite von zwei Dritteln der Bundesbürgern, wie alle Umfragen zu dem Thema gezeigt haben.

Auf der Tribüne des Bundestags sitzt eine kleine Gruppe von Zuhörern, die da eine ganz andere Haltung einnimmt. Es sind Vertreter der von der Terrormiliz IS im Nordirak verfolgten Jesiden. Ihre Unterstützung für die Waffenlieferungen und die humanitäre Hilfe ist Merkel und der Bundesregierung sicher.

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