Analyse: Berlin tut sich schwer mit Israel-Kritik

Berlin · Deutschland tut sich schwer mit Kritik an Israel - höchstverständlich angesichts der gemeinsamen Geschichte. Jetzt hofft man in Berlin auf eine baldige Waffenruhe für den Gazastreifen. Oder zeichnet sich doch eine etwas andere Tonart ab?

 Pro-Israel-Aktivisten demonstrieren gegen eine Veranstaltung anlässlich des Al-Kuds-Tags in Berlin. Foto: Hannibal

Pro-Israel-Aktivisten demonstrieren gegen eine Veranstaltung anlässlich des Al-Kuds-Tags in Berlin. Foto: Hannibal

Foto: DPA

Der Unterschied wurde am Freitag besonders deutlich. Unter der Schlagzeile "Nie wieder Judenhass" fanden sich auf der Titelseite der "Bild"-Zeitung Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und das halbe Kabinett wieder. Allesamt verurteilten sie - mit viel sonstiger Prominenz und aus gutem Grund - die antisemitischen Hetzparolen, die dieser Tage auch in Deutschland vielerorts bei Kundgebungen gegen Israel zu hören sind.

Umso mehr fiel allerdings auf, wie schwer sich die Bundesregierung mit Kritik an der jetzt schon mehr als zwei Wochen dauernden israelischen Militäroffensive im Gazastreifen tut. Auch zum Raketenangriff auf eine UN-Schule voller Flüchtlinge in der Gemeinde Beit Hanun, bei dem am Donnerstag mindestens 16 Menschen starben, gab es von Merkel & Co. kein einziges Wort.

Die Schwierigkeiten liegen in der Natur der Sache. Beide Staaten verbindet auf ewig eine schreckliche Geschichte: Nazi-Deutschland schickte zwischen 1933 und 1945 viele Millionen Juden in den Tod. Das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels gehört für die Bundesrepublik deshalb seit jeher zur Staatsräson. Merkel fasste das 2008 bei einem Jerusalem-Besuch in die Worte: "Die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar."

Derzeit macht Merkel Urlaub, weshalb es von ihr persönlich keine aktuelle Wortmeldung zum Kriegsgeschehen gibt. Zuletzt hatte sie, vor einer Woche schon, nochmals betont, dass Israel gegen die Angriffe der radikal-islamischen Hamas selbstverständlich das Recht auf Selbstverteidigung habe. Und hinzugefügt: "Das muss natürlich angemessen durchgeführt werden." So oder so ähnlich äußern sich auch die anderen Mitglieder der Bundesregierung.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier - inzwischen ebenfalls in der Sommerpause - sagte dem Deutschlandfunk für ein Interview, das an diesem Sonntag ausgestrahlt wird: "Unsere Haltung ist eine, die sich nicht zurückhält mit Kritik, wo sie notwendig ist." Als Beispiel nannte der SPD-Politiker den israelischen Siedlungsbau. Im aktuellen Konflikt müsse man aber Verständnis für "Gegenwehrmaßnahmen" haben. Zugleich appellierte er: "Zivile Opfer müssen so weit wie nur irgendwie möglich vermieden werden."

Deutlicher wurde die Bundesregierung bislang lediglich im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags - allerdings nur in nicht-öffentlicher Sitzung. Dort sprach Steinmeiers Staatssekretär Markus Ederer am Donnerstag nach Angaben von mehreren Teilnehmern davon, dass die massiven Luftschläge der Israelis teilweise "unverhältnismäßig" gewesen seien. Ohne Billigung ihres Ministers sagen Staatssekretäre so etwas nicht, auch nicht hinter verschlossenen Türen.

Einige vermuten, dass sich damit eine neue Tonart der Bundesregierung abzeichnen könnte - eine vorsichtige Distanzierung für den Fall, dass sich der Konflikt noch weiter verschärft. Mehr denn je hofft man in Berlin aber darauf, dass, nach jetzt schon mehr als 820 Toten, zum Ende des Fastenmonats Ramadan eine Waffenruhe vereinbart werden kann, von Montag an vielleicht.

Unabhängig davon schwindet in Deutschland das Verständnis für Israels Vorgehen gegen die Gaza-Palästinenser. Nach einer "Stern"-Umfrage geben mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Bundesbürger beiden Seiten in gleichem Maß Schuld an dem Konflikt. 14 Prozent sehen in Israel, 16 Prozent in der Hamas den Hauptverantwortlichen. Im Gaza-Krieg vor fünf Jahren waren die Gewichte noch anders verteilt: Damals machten von den Deutschen nur 13 Prozent die Israelis verantwortlich und 30 Prozent die Hamas.

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