Analyse: Athens Versäumnisse der Vergangenheit

Athen · Horrende Staatsverschuldung, ein aufgeblähter Staatsapparat und hohe Arbeitslosigkeit: Trotz schmerzhafter Reformen und milliardenschwerer Hilfen liegt in Griechenland noch vieles im Argen.

 Yachthafen in Athen: Nicht allen Griechen geht es materiell schlecht. Foto: Nikos Daniilidis/Archiv

Yachthafen in Athen: Nicht allen Griechen geht es materiell schlecht. Foto: Nikos Daniilidis/Archiv

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Während Irland und Portugal den Euro-Rettungsschirm längst verlassen haben, kann Athen immer noch nicht auf eigenen Beinen stehen. Was sind die Gründe für die tiefe Krise?

"Griechenland ist noch nicht im Zeitalter der Globalisierung angekommen", sagt Klaus Schrader vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Der notwendige Strukturwandel sei über Jahrzehnte verschleppt worden. Der Anteil der Landwirtschaft ist vergleichsweise hoch. Im Dienstleistungsbereich dominierten Arbeitsplätze in den Bereichen Handel und Tourismus, wo Qualifikation und Einkommen gering seien. Athen habe sich in der Vergangenheit auf Tourismus und EU-Strukturprogramme gestützt, sagt Schrader. "Das ist eine eher unproduktive Struktur."

Am 1. Januar 2002 wurde in Hellas der Euro eingeführt und die Presse jubelte: "Endlich haben wir eine starke Währung in unserer Tasche." Doch die griechischen Regierungen, Sozialisten und Konservative, blähten den Staatsapparat auf und lösten alle Probleme mit neuen Krediten. Das Leben auf Pump breitete sich überall in der griechischen Gesellschaft aus.

Mit der Finanzkrise 2009 war die Party schlagartig zu Ende. "Die Griechen haben einen enormen Preis bezahlt für die Exzesse des vergangenen Jahrzehnts", sagte der amtierende griechische Finanzminister Gikas Hardouvelis jüngst dem "Handelsblatt". "Wir haben schon eine Menge getan, aber wir müssen weitermachen."

Erste positive Signale gibt es aus dem Land, das mit Hilfspaketen von insgesamt 240 Milliarden Euro und einem Schuldenschnitt vor der Pleite gerettet werden musste. Erstmals seit 2008 wuchs die Wirtschaft im vergangenen Jahr wieder - nach vorläufigen Angaben um 0,7 Prozent. Vor allem der wieder boomende Tourismus, der inzwischen fast 20 Prozent des Bruttoinlandproduktes ausmacht, treibt die Konjunktur an.

Die Arbeitslosigkeit bleibt trotz eines leichten Rückgangs mit gut 25,5 Prozent aber dramatisch hoch. Fast jeder zweite Jugendliche ist ohne Job. Die Privatisierungen kommen nur langsam voran.

Eine weitere Baustelle: Die öffentliche Verwaltung, sie gilt als ineffizient und aufgebläht. Allein 2014 wurden rund 9500 Staatsbedienstete entlassen. Nur noch für jeden fünften Staatsdiener, der in Rente geht, wird ein neuer eingestellt. Doch es geht nicht allein um Stellenkürzungen. So gibt es zum Beispiel nach wie vor kein flächendeckendes Grundbuch - für Investoren ein Hindernis beim Kauf und Verkauf von Immobilien. Bis 2020 soll es nach früheren Plänen aufgebaut sein.

Eine Studie der OECD kam im Jahr 2011 allerdings zu dem Ergebnis, dass die Verwaltung kaum in der Lage sei, die Reformgesetze angemessen umzusetzen. Ob sich daran viel geändert hat, bezweifelt Schrader. "Die Modernisierung ist ein langer Weg. Was man jetzt an Reformen angestoßen hat, hätte man schon beim EU-Beitritt des Landes machen müssen."

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