Ursula Raue Rechtsanwältin schied aus Amt der Missbrauchsbeauftragten der Jesuiten

BONN · Es war letztlich ein Feuerstuhl, auf dem Ursula Raue sieben Jahre saß und von dem sie am Freitag verabschiedet wurde. Die Berliner Rechtsanwältin und Mediatorin war 2007 zur "Beauftragten des Ordens für Fälle sexuellen Missbrauchs" ernannt worden.

Provinzial Pater Stefan Kiechle dankte ihr " für ihr ebenso sensibles wie professionelles Vorgehen in den Gesprächen sowohl mit Opfern wie auch mit dem Orden. Mit ihrem Bericht im Mai 2010 hat sie die Verbrechen an Schutzbefohlenen in Einrichtungen des Ordens dokumentiert und einen entscheidenden Beitrag zur Aufklärung geleistet."

Die ehemalige Frau des Kunstanwalts Peter Raue hatte sich als Vorsitzende des Juristinnenbundes und Präsidentin der Opferschutzorganisation "Innocence in Danger" für das Amt empfohlen. "Unabhängig war gut, Qualifikation war gut, und Frau war gut", beschrieb Raue, blond, klein, zierlich, 2010 dem GA ihre Eignungsmerkmale.

"Dass ich evangelisch bin, haben die Jesuiten erst später erfragt", fügte sie beim Besuch des Aloisiuskollegs (Ako) keck hinzu. Dass sie im Amt schon bald unter Beschuss geraten würde, unterschätzte sie wohl. Der Missbrauchsskandal hatte längst alle Jesuitenschulen erfasst. Bei Raue stapelten sich die Fälle strafrechtlich relevanter Handlungen an Kindern und Jugendlichen. Im Mai 2010 bestätigte sie im Abschlussbericht sämtliche Fallangaben, forderte weitere Aufklärung - und musste Kritik einstecken.

Die Betroffenengruppe Eckiger Tisch sprach ihr vielfach das Misstrauen aus: Raue stehe auf Seiten der Jesuiten, ja "sie verhöhnt die Opfer", so Sprecher Matthias Katsch. 2011 stellte die Gruppe Strafanzeige gegen sie wegen angeblichen Zugriffs auf pornografisches Fotomaterial und Strafvereitelung.

Die Staatsanwaltschaft Bonn sah freilich keine hinreichenden Anhaltspunkte, und die Jesuitenspitze sprach ihr weiterhin "uneingeschränktes Vertrauen" aus. Sie habe "furchtbare Fehler" begangen, die die Biografien von Opfern verschlimmert hätten, erklärte gestern Heiko Schnitzler vom Eckigen Tisch. "Ihr Wissen um Nacktfotos von Schutzbefohlenen am Ako hätte bereits 2007 Konsequenzen haben müssen.

Warum sie dem Täter Gelegenheit gab, die Beweisfotos zu vernichten, wird sie sich auch weiter fragen lassen müssen", so Schnitzler. Die Verabschiedung Raues sehe er als "längst überfälligen Schritt" an.

"Ja, das war ein Fehler. Ich sah damals in den Fotos keinen Straftatbestand erfüllt", hatte Raue dem GA im Mai 2010 gesagt. Beim damaligen kontroversen Gespräch mit dem Eckigen Tisch in Oberdollendorf war sie sichtbar um Fassung bemüht. Vielleicht war ja auch nie recht geklärt, wie ihre Kompetenzen in Diensten der Jesuiten aussahen.

Und sicher beruhte die Enttäuschung der Opfer auch auf einem Missverständnis: Raue war eindeutig Beauftragte des Ordens. Für ihre Nachfolger, die badische Rechtsanwältin Katja Ravat und den Berliner Diplom Soziologen Marek Spitczok von Brisinski, heißt die Amtsbezeichnung nur noch: Sie seien "Ansprechpersonen für Verdachtsfälle von sexuellem Missbrauch".

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