Jean-Marie Le Pen Familienbande

PARIS · Sich ohne weiteres aufs Altenteil abschieben lassen? Nicht mit Jean-Marie Le Pen - das hat der 87-jährige Mitbegründer des rechtsextremen Front National beschlossen.

 Jean-Marie Le Pen.

Jean-Marie Le Pen.

Foto: AFP

Dieselbe zerstörerische Kraft, mit der er früher politische Gegner angriff, richtet er nun gegen seine eigene Partei und die Vorsitzende Marine Le Pen. Ohnehin sei diese, so ließ er wissen, "nicht mehr meine Tochter" und solle sich einen anderen Namen suchen.

Die 46-Jährige hat im Frühjahr mit ihrem Vater gebrochen, nachdem er in mehreren Interviews provoziert und die Gaskammern der Nazis als "Detail der Geschichte des Zweiten Weltkriegs" bezeichnet hatte. Mehrmals wurde er bereits wegen dieser Behauptung verurteilt, auch jetzt steht ein Prozess an. Damit sich der unbelehrbare Partei-Patriarch künftig nicht mehr im Namen des Front National ausdrücken kann, will Marine Le Pen ihn ausschließen und sein Amt als Ehrenpräsident abschaffen, das er seit 2011 innehat.

Doch gegen ein schriftliches Votum der Mitglieder über eine dafür notwendige Satzungsänderung wehrte er sich juristisch - und bekam gestern zum zweiten Mal Recht. Ein Berufungsgericht in Versailles bestätigte ein Urteil erster Instanz von Anfang Juli, nach dem ein solcher Beschluss eines echten Parteitages statt einer brieflichen Abstimmung bedarf. Diese wurde bereits durchgeführt. Die Ergebnisse sind unter Verschluss, doch ließ Marine Le Pen keinen Zweifel daran, dass eine Mehrheit der Parteimitglieder hinter ihr stehe. Mit seinen antisemitischen und revisionistischen Aussagen hatte Le Pen senior zunehmend ihre Strategie einer "Entdämonisierung" der Partei gestört, die diese einer breiten Wählerschaft öffnen soll und die Erfolge der letzten Jahre bedingt. Boshaft erklärte Jean-Marie Le Pen nun, seine Tochter habe "einen Analysefehler begangen, als sie dachte, sie könnte mich aus der Partei werfen, ohne dass ich reagiere".

Bereits in den 90er Jahren hatte er seinen damaligen Rivalen Bruno Mégret vor Gericht bekämpft und den Front National an den Rand der Spaltung gebracht. Das droht der Partei nun erneut. Obwohl die Vorsitzende unumstritten ist, hat auch ihr Vater noch Anhänger und sitzt als Abgeordneter im EU-Parlament und in einer gemeinsamen Fraktion mit ihr.

Bei der gestrigen Entscheidung handelt es sich um einen Rückschlag für die Rechtspopulistin, die gezwungen sein könnte, in aller Eile einen Parteitag zu organisieren, um Jean-Marie Le Pen auszuschließen - der dann selbst das Wort ergreifen und für einen neuen Eklat sorgen könnte. Der öffentlich ausgetragene Familienzwist kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt für Marine Le Pen, die bei den Regionalwahlen im Dezember den Regionalratsvorsitz in ihrer Hochburg, der nordfranzösischen Region Nord-Pas-de-Calais-Picardie, erobern will. Ein Erfolg würde eine gute Ausgangslage für die Präsidentschaftswahl 2017 bieten.

Demgegenüber hat ihr Vater erklärt, er wünsche ihr Scheitern. In seinem verletzten Stolz könnte er sogar die Ambitionen seiner Enkelin Marion Maréchal-Le Pen bremsen. Diese steht ihm zwar menschlich wie ideologisch näher als seine Tochter und traf ihn vor ein paar Tagen zum Gespräch. Dennoch erwägt er offenbar, in der südfranzösischen Region Provence-Alpes-Côte d`Azur mit einer konkurrierenden Liste gegen den 25-jährigen Politik-Jungstar anzutreten - Hauptsache, er schadet der Partei, die er einst mitbegründet hat. Und seiner Familie.

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