Landesparteitag der Grünen in Siegburg "Wir sollten Politik nicht mit Moral verwechseln"

SIEGBURG · Als Monika Düker Landesvorsitzende wurde, waren die nordrhein-westfälischen Grünen kurz davor, mit der SPD eine Minderheitsregierung zu bilden und standen vor unklaren politischen Zeiten. Inzwischen sind vier Jahre vergangen, die Partei sitzt nach einer gewonnenen Landtagswahl 2012 mit der SPD sicher in der Landesregierung und profiliert sich immer wieder als Motor in der Koalition.

 Neue grüne Doppelspitze: Sven Lehmann und Mona Neubaur.

Neue grüne Doppelspitze: Sven Lehmann und Mona Neubaur.

Foto: dpa

Für Düker waren es die "intensivsten politischen Jahre überhaupt", wie sie am Samstag beim Landesparteitag in der Siegburger Rhein-Sieg-Halle sagte. Dort verabschiedeten die Delegierten die 51-Jährige aus Düsseldorf mit rauschendem Beifall.

Für die Bonnerin Katja Dörner, die Chefin der Grünen-Bundestagsabgeordneten aus NRW, hat Düker "durch ihre sehr ausgleichende Art viele Konflikte in konstruktive Bahnen gelenkt". Sie sei jene gewesen, die vor allem "für das Gelingen der Minderheitsregierung" verantwortlich war. Düker selbst blickte in ihrer Rede nicht zurück, sondern nach vorn. "Die Partei muss die zwei kommenden wahlkampffreien Jahre für die Arbeit an den wichtigen Themen nutzen", gab sie als Parole aus. Das Klimaschutzgesetz müsse mit Leben gefüllt, die Inklusion umgesetzt und neue Konzepte für den demografischen Wandel erstellt werden.

Aufgaben, die nun auf die neue Landesvorsitzende Mona Neubaur zukommen. Die 36-Jährige stellte sich als Kümmerin vor, die viel im Land unterwegs sein und "in unzähligen Gesprächen unsere Politik erklären" will. Zum Psychologie- und Pädagogik-Studium war sie aus Bayern nach Düsseldorf gekommen, ist derzeit Geschäftsführerin der Heinrich-Böll-Stiftung in NRW und führt seit sieben Jahren den Kreisverband Düsseldorf. 77,2 Prozent der 280 Delegierten gaben ihr die Stimme.

Weiter im Amt als männlicher Teil der Grünen-Doppelspitze ist der Kölner Sven Lehmann, der mit Düker seit vier Jahren ein Tandem bildete. Mit 94,6 Prozent erhielt er sein bisher bestes Ergebnis. "Ich hatte ein bisschen Angst vor der Wahl, weil manches in den vergangenen zwei Jahren schwierig war", sagte Lehmann nach der Wahl. Das Ergebnis nannte er "einfach nur Wahnsinn". In seiner Rede hatte der 34-Jährige zuvor auch kritische Töne angeschlagen. Die Grünen seien keine Klientelpartei und sollten auch die eigene Haltung überdenken. "Wir Grünen sind nicht die besseren Menschen, und wir sollten Politik nicht mit Moral verwechseln." Er lobte, dass Mitglieder der Partei "im Kohleland NRW das bundesweit erste Klimaschutzgesetz" auf den Weg gebracht oder einen "Boom des längeren gemeinsamen Lernens" herbeigeführt hätten. "Wer hätte uns das vor 15 Jahren zugetraut?", fragte er unter dem Beifall der Parteifreunde.

Die trafen noch zahlreiche weitere Personalentscheidungen. Eine davon: die Abwahl ihres Schatzmeisters Jo Schroers. 19 Jahre führte der Mönchengladbacher die Landesfinanzen, meist zur Zufriedenheit der Mitglieder, schließlich bekam er zumeist gute Ergebnisse. In seiner Kandidatenrede beschwor er den grünen Geist, sprach von Demonstrationen in Wackersdorf, Mutlangen oder dem Wendland in den 80er Jahren. Sein Gegenkandidat Wolfgang Rettich aus Bochum warb hingegen mit neuen Ideen für die Spendenakquise und meinte, "da ist mehr drin als bisher". Das zog, Rettich gewann 187 zu 65. Tief deprimiert verließ Schroers die Bühne. Mit Mitte 50 muss er sich nun eine neue Arbeit suchen.

Am Sonntag beschlossen die Delegierten einen Antrag, nach dem der ländliche Raum attraktiver werden soll. Besser werden müssten die wohnortnahe Gesundheits- und Pflegeversorgung sowie Schule und Bildungsangebote. Der Parteitag forderte zudem, die Reaktorforschung am Forschungszentrum Jülich endgültig zu beenden. Einzig die Forschung zum Rückbau von Atomanlagen und zur Endlagerung von Atommüll solle noch erlaubt sein. Außerdem wollen die Grünen, dass die 30 Euro hohe Gebühr für einen Kirchenaustritt abgeschafft wird.

Katja Dörner zu ihrer Arbeit im Grünen-Landesvorstand

Mit dem besten Ergebnis der weiblichen Landesvorstands-Kandidaten ist die Bonnerin Katja Dörner in das Gremium eingezogen. Mit ihr sprach Bernd Eyermann.

Wie bewerten Sie Ihr Ergebnis?
Katja Dörner: Offenbar ist die Arbeit, die ich auf Bundes- und Landesebene gemacht habe, auf fruchtbaren Boden gefallen. Ich war überrascht, dass ich ein so herausragendes Ergebnis erreicht habe.

Sie waren von 2006 bis 2010 im Landesvorstand, sind wegen Ihres Bundestagsmandats ausgeschieden, haben sich jetzt wieder zur Wahl gestellt. Warum?
Dörner: Ich möchte die Bundestagsfraktion und die Landesebene besser vernetzen. Außerdem habe ich die Arbeit im Landesvorstand immer vermisst. Im Parlament geht es vor allem um die Umsetzung von Politik. In der Partei geht es eher darum, neue Konzepte zu entwickeln. Das ist auch spannend.

Was wollen Sie voranbringen?
Dörner: Der Bund muss die Länderhaushalte und die kommunalen Kassen deutlich stärker finanziell entlasten. Da ist die Bundesregierung eine große Enttäuschung. Druck müssen die Länder und auch wir in der Opposition im Bundestag auf die große Koalition mit Blick auf die Bildungsinfrastruktur machen. Es ist viel zu wenig, wenn der Bund bis 2017 nur sechs Milliarden Euro mehr an Kitas, Schulen und Hochschulen überweisen will.

Wollen Sie auch dafür werben, dass nicht noch mehr Mitarbeiter aus Bonn nach Berlin abgezogen werden?
Dörner: Das ist für mich ein ganz zentrales Thema. Ich bin froh, dass die Grünen im Land immer klar zum Bonn/Berlin-Gesetz standen. Als Mitglied im Landesvorstand kann ich jetzt mit noch größerem Einfluss darauf dringen, dass Bonn bekommt, was der Stadt und der Region zusteht.

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