Außenpolitik der USA US-Führungsanspruch, neu definiert

WEST POINT · Als Barack Obama 2009 zum ersten Mal vor den traditionell in grauen Ausgehuniformen steckenden Kadetten von West Point sprach, standen noch über 100 000 amerikanische Soldaten in Afghanistan im Kampf gegen den Terror.

Fast fünf Jahre später ist das Ende der Mission am Hindukusch absehbar. Wenn der erste Schwarze im Weißen Haus 2017 aus dem Amt scheidet, werden nur noch einige Hundert GIs in Kabul Dienst tun.

Für den Präsidenten ist dieser Rückzug Kernbeispiel für eine Strategie, die er gestern bei seiner Grundsatzrede zur Außenpolitik an der renommiertesten US-Militärakademie mit zwei Schlüsselsätzen umriss. "Nur weil wir den besten Hammer haben, ist nicht auch jedes Problem gleich ein Nagel", warnte Obama vor einer Verengung auf das Militärische als Allheilmittel.

Und obwohl Armee, Luftwaffe und Marine das "Rückgrat" unersetzbarer amerikanischer "Führerschaft" blieben, riet er dem diesjährigen Abschlussjahrgang für künftige Krisen in einer gefährlicher gewordenen Welt zu einem schlichten Rezept: "Wir dürfen nicht mehr Feinde erschaffen, als wir auf dem Schlachtfeld ausschalten."

Die "folgenreichsten Fehler" Amerikas seit dem Zweiten Weltkrieg seien schließlich nicht durch Zurückhaltung zu erklären, sondern durch die "Bereitschaft, in militärische Abenteuer zu eilen - ohne über die Folgen nachzudenken, ohne internationalen Rückhalt zu bilden und die Legitimität für unser Handeln zu schaffen". Damit war der Ton gesetzt für eine Rede, die den Führungsanspruch Amerikas nicht aufgibt. Aber neu definiert.

Vehement widersprach Obama einer wachsenden Zahl von Kritikern, die ihm Zögerlichkeit vorwerfen und die Preisgabe amerikanischer Vormachtstellung. Das Gegenteil sei der Fall. Amerikas Kraft und Einfluss in der Welt sei nie größer gewesen. "Wenn ein Taifun die Philippinen trifft oder Mädchen in Nigeria entführt werden oder Maskierte ein Gebäude in der Ukraine stürmen, dann fragt die Welt Amerika um Hilfe."

Wie bei einer ähnlichen Rede an gleicher Stelle vor vier Jahren bekannte sich Obama unüberhörbar zu einem gemeinschaftlichen Vorgehen der Staaten im Krisenfall. Dabei müssten alle Instrumente - Diplomatie, Entwicklungshilfe, Sanktionen und Drohungen - ihren angemessenen Platz finden.

Alleingänge, auch militärischer Art, seien künftig nur noch dann zu rechtfertigen, wenn amerikanische Interessen akut bedroht sind. Am Beispiel Ukraine skizzierte Obama aus seiner Sicht den Ertrag dieser Politik. Unter Mithilfe von OSZE, Nato, Internationalem Währungsfonds und Partnerländern sei es gelungen, Russland zu bremsen, Wahlen zu ermöglichen und der Ukraine so die Option auf ein selbstbestimmte Zukunft zu geben. Obama: "Das ist amerikanische Führung."

Für die letzte Etappe seiner Amtszeit kündigte der Präsident einen Kurswechsel bei der Terrorbekämpfung an. Strategien, die den Einmarsch in jedes Land vorsehen, das Terroristen beheimatet, nannte er "naiv und nicht durchhaltbar". Stattdessen soll der Kampf gegen den zunehmend von Splittergruppen ausgehenden islamistischen Terrorismus auf mehr Schultern verteilt werden.

Mit fünf Milliarden Dollar, die in einen neuen Fonds fließen, will Amerika den Grundstock legen, um "Kapazitäten auszubauen und die Zusammenarbeit mit den Partnerstaaten an den Frontlinien zu erleichtern". Dabei fielen unter anderem die Namen Somalia, Mali und Libyen.

In punkto Syrien, seit langem Obamas wunder außenpolitischer Punkt, deutete der Präsident verstärkte Hilfen für Oppositionsgruppen an, die nach einem erhofften Abdanken von Präsident Assad beim Wiederaufbau des Landes helfen könnten. Ob es sich dabei auch um schweres militärisches Gerät handelt, wie einzelne Medien berichteten, blieb offen.

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