Interview mit Katja Keul "Tatverdacht liegt auf der Hand"

BERLIN · Mit der rechtspolitischen Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katja Keul, sprach Holger Möhle.

 "Das Futter sammeln": Katja Keul von den Grünen.

"Das Futter sammeln": Katja Keul von den Grünen.

Foto: dpa

Generalbundesanwalt Harald Range will in der NSA-Affäre kein Ermittlungsverfahren einleiten. Angeblich, weil er an kein belastbares Material kommt. Kann das wirklich sein?
Katja Keul: Da macht der Generalbundesanwalt den zweiten Schritt vor dem ersten. Er kann ja nicht Ermittlungen ablehnen, nur weil die Beweislage schwierig werden könnte. So etwas kann am Ende der Ermittlungen stehen, aber keinesfalls am Anfang. Herr Range muss prüfen: Gibt es einen hinreichenden Tatverdacht, und der liegt hier auf der Hand. Wir haben die Tat, was auch durch die Bundeskanzlerin und ihr abgehörtes Handy bestätigt ist. Und wir haben einen aussagefähigen und aussagewilligen Zeugen: Edward Snowden. Den muss der Generalbundesanwalt dann auch mal anhören. Ehrlich gesagt, ich bin über so viel Untätigkeit im Amt sprachlos.

Die Linke spricht von einem "beispiellosen Akt der Rechtsbeugung". Sie auch?
Keul: Fest steht: Der Generalbundesanwalt kommt seiner Pflicht nicht nach. Es gilt im Strafrecht das Legalitätsprinzip. Danach muss die Staatsanwaltschaft ermitteln, wenn es einen hinreichenden Tatverdacht gibt. Auch der Generalbundesanwalt darf nicht nach Opportunität entscheiden. Das kann er sich nicht überlegen, wie er Lust und Laune hat.

Kann der Generalbundesanwalt jetzt das letzte Wort haben oder soll ihn Bundesjustizminister Heiko Maas anweisen, ein Ermittlungsverfahren in Sachen NSA einzuleiten?
Keul: Der Generalbundesanwalt muss uns jetzt im Rechtsausschuss des Bundestages Rede und Antwort stehen und seine Motive erläutern, warum er nicht ermittelt. Bundesjustizminister Heiko Maas hat die Möglichkeit, den GBA anzuweisen. Und von dieser Möglichkeit muss der Bundesjustizminister hier Gebrauch machen. Wo ein hinreichender Verdacht auf eine Straftat besteht, muss ermittelt werden. Wir leben in einem Rechtsstaat.

Was wäre ein solches Ermittlungsverfahren wert, wenn der Generalbundesanwalt tatsächlich an kein Material kommt?
Keul: Er muss das Futter für ein solches Verfahren ja erst einmal sammeln. Es hindert ihn doch niemand, mit Edward Snowden Kontakt aufzunehmen. Er kann Unterlagen sammeln und auswerten. Damit hat er bisher erst gar nicht begonnen.

Muss die Bundesregierung dem Zeugen Snowden sicheres Geleit garantieren, damit dieser vom NSA-Ausschuss des Bundestages gehört werden kann, ohne an die USA ausgeliefert zu werden?
Keul: Das ist unsere Position. Das verlangen wir von der Bundesregierung. Und das ist auch möglich. Die Bundesregierung scheut hier die politische Verantwortung und versteckt sich hinter angeblichen rechtlichen Pflichten zur Auslieferung. Am Ende ist es die Entscheidung der Bundesregierung: Sie könnte Herrn Snowden rechtliches Geleit zusichern. Die Regierung könnte, wenn sie wollte, gegenüber den Amerikanern klarmachen, dass sie dieses Auslieferungsabkommen in diesem Fall nicht erfüllen wird, weil hier besondere Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Vordergrund stehen. Sie muss dazu nur das Rückgrat haben, dies gegenüber den amerikanischen Freunden auch durchzusetzen. Und das hat sie offensichtlich nicht.

Zur Person

Katja Keul ist seit 2009 Mitglied des Bundestages und seit November 2009 auch eine der Parlamentarischen Geschäftsführerinnen von Bündnis 90/Die Grünen. Die Rechtsanwältin beendete 1994 ihr Jura-Studium in Heidelberg und ist seit 2000 mit einer eigenen Kanzlei im niedersächsischen Marklohe selbstständig. Für die Grünen war die verheiratete Mutter dreier Kinder bei der Bundestagswahl 2013 Spitzenkandidatin auf der Landesliste Niedersachsen.

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