Nach Niederlage bei Landtagswahl Wie die Grünen in NRW ihre Krise bewältigen wollen

DÜSSELDORF · Nach der schweren Niederlage bei der NRW-Wahl im Mai stellt sich die Landespartei neu auf. Der Vorstand soll künftig nur noch acht statt 20 Mitglieder haben. Auch der Parteinachwuchs stellt Forderungen.

Mit einem Appell an die Stammwähler versuchten die Spitzengrünen drei Wochen vor der Landtagswahl zu retten, was noch zu retten war. Vorne von links: Landeschef Sven Lehmann, die Spitzenkandidaten Sylvia Löhrmann und Johannes Remmel sowie die Co-Vorsitzende Mona Neubaur.

Mit einem Appell an die Stammwähler versuchten die Spitzengrünen drei Wochen vor der Landtagswahl zu retten, was noch zu retten war. Vorne von links: Landeschef Sven Lehmann, die Spitzenkandidaten Sylvia Löhrmann und Johannes Remmel sowie die Co-Vorsitzende Mona Neubaur.

Foto: dpa

Die nordrhein-westfälischen Grünen planen einen personellen und organisatorischen Paukenschlag zur Überwindung ihrer Krise. Der größte deutsche Landesverband will sich von mehr als der Hälfte seines Vorstandes trennen. „Wir wollen den Landesvorstand der NRW-Grünen von bislang 20 auf künftig nur noch acht Mitglieder verkleinern“, kündigte die Landesvorsitzende Mona Neubaur im Gespräch mit unserer Zeitung an. Der Landesparteitag soll am 20. Januar über einen entsprechenden Antrag abstimmen. Die Zustimmung gilt als sicher. Dem Antrag, den der Landesvorstand selbst einbringen wird, gingen Querelen in dem Führungsgremium voraus.

Ein Teil der Betroffenen war nach Informationen unserer Zeitung strikt gegen die Vorstandsverkleinerung und führte als Begründung an, dass ein achtköpfiger Vorstand die Vielfalt der Regionen nicht mehr ausreichend repräsentiere. Letztlich setzte sich Neubaur aber mit ihrem Vorschlag durch „und erwirkte, wenn auch keinen einstimmigen, so doch einen deutlichen Mehrheitsbeschluss für den Antrag“, wie das Umfeld des Vorstandes berichtet.

Der Landesparteitag wird außerdem auch den Nachfolger für Co-Landeschef Sven Lehmann wählen, der in den Bundestag gewechselt ist. Für diesen Posten zeichnet sich eine Kampfkandidatur zwischen Felix Banaszak und Wolfgang Rettich ab.

Das Jahr 2017 war für die NRW-Grünen ein Desaster. Mit einem Absturz von 11,3 auf 6,4 Prozent schrumpfte die vorherige Regierungspartei zur kleinsten Oppositionspartei im Landtag. Bei der anschließenden Bundestagswahl schafften sie auch nur 7,6 Prozent. „Von der Verkleinerung des Vorstandes versprechen wir uns schnellere Entscheidungen und klarere Zuständigkeiten“, so Neubaur.

Mit Themen-Sammelsurium verzettelt

An ihren Proporz-Traditionen wollen die NRW-Grünen jedoch festhalten: An die Spitze soll neben der realpolitischen Vorsitzenden Neubaur ein Mann aus dem linken Parteispektrum treten. Sowohl Banaszak, Duisburger und früherer Chef der Grünen Jugend, als auch der Bochumer Ratsherr Rettich gehören dem linken Flügel der Grünen an.

Dem Antrag zufolge sollen dem Vorstand wie bislang vier hauptamtliche Politiker angehören: Neben den beiden Vorsitzenden ein Landesschatzmeister und ein Politischer Geschäftsführer, der bei anderen Parteien auch „Generalsekretär“ heißt. Die bislang 16 ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder, aus denen künftig vier werden, sollen weiterhin je zur Hälfte aus Männern und Frauen bestehen. „Eine Idee könnte sein, dass die vier ehrenamtlichen Vorstände jeweils eine Patenschaft für die Kernthemen übernehmen, mit denen wir 2018 unser Profil schärfen wollen“, erklärt Neubaur.

Denn die Aufarbeitung der Krise habe gezeigt, dass die Grünen sich zuletzt mit einem Themen-Sammelsurium verzettelt hätten. Als Oppositionspartei will die Partei sich deshalb künftig neben der Regierungskritik voll auf die Themen „Umweltschutz“, „Offene Gesellschaft“ und „Gerechtigkeit“ konzentrieren. Der Bereich „Kohleausstieg“, der zum Thema „Umweltschutz“ gehört, kann phasenweise eigenständiges Hauptthema werden.

Grünen-Fraktion in "Findungsphase"

Dieser neue Themen-Kanon ist kein Zufall. Zu den wenigen Hoffnungswerten der NRW-Grünen gehört die derzeit stark steigende Mitgliederzahl. „Wir sind im letzten Jahr um 1226 Neuzugänge auf jetzt über 13 200 Mitglieder gewachsen“, berichtet Neubaur. Der Vorstand habe in Gesprächen mit den Neumitgliedern deren Beweggründe analysiert.

So habe der Aufstieg der AfD und die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten viele motiviert, sich stärker für die Verteidigung der offenen Gesellschaft in Deutschland zu engagieren. Der Umweltschutz und das wachsende Wohlstandsgefälle in Deutschland seien weitere hervorstechende Motive. „Das nehmen wir auf und stabilisieren mit diesen Themen unseren Markenkern“, so Neubaur.

Fraktionschefin Monika Düker, die nach der Landtagswahl Mehrdad Mostofizadeh abgelöst hat, will diese Themen im Landtag in konkrete Politik übersetzen. „Wenn unser Kernthema Gerechtigkeit heißt, können wir im Landtag nicht zulassen, wie die Baupolitik der neuen Regierung die Wohnungsnot in den Städten verschärft und die Verkehrspolitik die ländlichen Regionen vernachlässigt“, nennt Düker zwei Beispiele. Sie räumt aber ein, dass die Grünen-Fraktion im Landtag noch immer in einer „Findungsphase“ sei: „Wir sind aber auf einem guten Weg, uns in der Rolle der Opposition wieder neu aufzustellen.“

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