Wahl zum neuen Fraktionschef Wie Thomas Kutschaty in der SPD in NRW rebelliert

Düsseldorf · Mit der Wahl von Thomas Kutschaty zum neuen Chef der SPD-Fraktion in NRW wurde das System Norbert Römer gestürzt. So könnte es weitergehen.

 Thomas Kutschaty, ehemaliger NRW-Justizminister (SPD).

Thomas Kutschaty, ehemaliger NRW-Justizminister (SPD).

Foto: dpa

Thomas Kutschaty bemüht sich, ernst zu bleiben. Ein triumphierendes Lächeln wäre jetzt genau das eine Quäntchen zu viel. Er hat ja sowieso schon auf der ganzen Linie gesiegt. Gerade hat die SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag ihn, den früheren NRW-Justizminister, zu ihrem neuen Chef gewählt. Und nicht Marc Herter, der eigentlich als Favorit galt.

„Die NRW-SPD ist zurück“, verkündet Kutschaty selbstbewusst. Allein diese Aussage ist schon ein Affront. Als hätte es die Partei nach der verlorenen Landtagswahl gar nicht gegeben. Es ist ein Satz, der das Partei-Establishment rund um den bisherigen Fraktionsvorsitzenden Norbert Römer und Parteichef Michael Groschek auf einen Schlag Geschichte werden lässt. So spricht einer, der erfolgreich eine Rebellion angezettelt hat.

Nichts weniger hat in der vorausgegangenen Fraktionssitzung auch tatsächlich stattgefunden. Das System Römer, das auf Geben und Nehmen basierte, auf Regionalproporz und Machtpolitik in Hinterzimmern, wurde gestürzt. Römers Kandidat Herter fiel durch, und das nicht einmal mit einem besonders knappen Ergebnis. Alles Werben um Stimmen hat Römer dieses Mal nichts geholfen. Der mächtigste aller Bezirke der NRW-SPD, das Westliche Westfalen, hat seinem Parteigranden dieses Mal die Gefolgschaft verweigert.

Wie viele Abweichler es bei der geheimen Wahl gab, weiß keiner genau. Und auch in der Partei sehen viele nun keine große Zukunft mehr für Römer. Anders als er es wohl ursprünglich vorhatte, ist es dem Vernehmen nach nun fraglich, ob er als Schatzmeister wiedergewählt wird. Stattdessen fällt immer häufiger der Name des Duisburger Abgeordneten Ybrahim Yetim.

Hartmann sei kein Menschenfänger

Erklärungen für den Aufstand sind auf den Fluren schnell gefunden. In den vergangenen Wochen hatte sich in der NRW-SPD großer Unmut angesammelt. Vor allem darüber, wie Römer und Groschek ihre Kandidaten um jeden Preis durchdrücken wollten. Als es etwa um den Parteivorsitz ging, sei schnell klar gewesen, dass es jemand aus dem Bezirk Mittelrhein werden sollte. Damit dann in der Fraktion auf jeden Fall Römers westfälischer Kandidat Herter an die Spitze rücken konnte.

Die Qualifikation sei in den Hintergrund gerückt. So kam es, dass Groschek auf den weithin unbekannten Sebastian Hartmann verfiel, einen Bundestagsabgeordneten. Ihm wird die große Aufgabe zugetraut, den wichtigsten Landesverband der SPD zu alter Stärke zurückzuführen. Ende Juni soll er auf dem Landesparteitag offiziell gewählt werden.

In Berlin trat Hartmann kaum in Erscheinung. Innerhalb der Bundestagsfraktion machte er sich als Verkehrs- und Finanzpolitiker einen Namen. In der Fraktion ist er vernetzt, hat enge Drähte zu NRW-Landesgruppenchef Achim Post. Er gilt bei seinen Kollegen als korrekt, kompetent, sachlich und nüchtern. Ein Menschenfänger sei Hartmann jedoch nicht, sagt ein Genosse. Ihm fehle der lockere Zugang zu Leuten, sagt ein anderer. Hartmann studierte Jura legte im Anschluss aber kein Staatsexamen ab.

Landesregierung verfolgt Turbulenzen mit Staunen.

Doch in der Partei meinen einige, dass Kutschatys Erfolg für Hartmann noch zum Problem werden könnte. Auf Teil eins der Rebellion könnte also Teil zwei bald folgen. So schloss Kutschaty ausdrücklich nicht aus, möglicherweise auch für den Parteivorsitz zu kandidieren und beide Ämter auf sich zu vereinen, wie es einst Johannes Rau tat. Was er von Hartmann hält, machte Kutschaty indirekt deutlich: Er könne auch mit Hartmann zusammenarbeiten, „das wird schon gehen“.

Denkbar ist aber auch, dass Kutschaty den verbliebenen Römer-Gefolgsleuten aus dem Bezirk Westliches Westfalen nun erst recht entgegenkommen muss, um sie sich nicht auf Dauer zu Gegnern zu machen. Dass also ein den Westfalen genehmer Kandidat ins Rennen um den Parteivorsitz geht. Das alles werde sich in den kommenden Tagen entscheiden, heißt es in der Fraktion.

In der Landesregierung verfolgen sie die Turbulenzen bei der SPD mit Staunen. Es werde wohl noch einige Zeit dauern, bis die Partei zu einer starken Opposition werde, meint einer. Auch die neu gewählte parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Sarah Philipp, räumte ein, dass es bisher nicht gelungen sei, den Tanker SPD von Regierung auf Opposition umzusteuern.

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