Proteste gegen den Parteitag der AfD Vielfalt statt Gewalt auf dem Kölner Heumarkt

Köln · Trotz niedriger Temperaturen und hartnäckigem Nieselregen sind bereits seit den frühen Morgenstunden tausende Demonstranten in der Kölner Innenstadt unterwegs, um gegen den AfD-Parteitag im Maritim zu protestieren.

Während es im Stadtteil Deutz zu Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen ist, ist auf dem Heumarkt von dieser aggressiven Grundstimmung bislang nichts zu spüren. Den ersten Rednern der Kundgebung wird am Morgen mit verhaltenem, aber freundlichem Interesse begegnet. Auf dem Platz finden sich neben den obligatorischen „Lautis“ und Kleinbühnen auch zahlreiche Stände von Parteien, Bündnissen, Gewerkschaften und kleineren Initiativen.

Die Rhetorik ist geprägt von bekannten Anti-Ismen; Antikapitalismus, Antiimperialismus, Antifaschismus und Antirassismus. Die verschiedenen Ansichten kommen in teils kreativer und unterhaltsamer Weise zum Ausdruck und man komplimentiert sich gegenseitig zu besonders gelungenen Plakaten. Der erste Demonstrationszug, der für 10.30 Uhr angesetzt ist, befindet sich noch in der Vorbereitung.

Überall werden Luftballons aufgeblasen, Banner gerichtet, Sticker arrangiert und Regencapes festgezurrt. Vereinzelt ertönt Musik, die zwischen den einzelnen Reden lauter wird. Nur gelegentlich dringen „Haut ab!“-Rufe von den Rändern herüber, wenn sich potenzielle Gegner der Demonstration nähern. Die Stimmung ist trotz des schlechten Wetters entspannt, über Lautsprecher wird kölsches Schunkeln als demokratische Tradition angepriesen.

Wie das Bündnis „Köln gegen Rechts“ bereits im Vorfeld angekündigt hatte, wird die Vorbereitungszeit auf den ersten Zug mit einem „solidarischen Frühstück“ überbrückt. Dazu stehen ein paar Stände bereit, die Essen gegen Spende anbieten. Andrés ist mit „Tacos Los Carnales“ vertreten. Normalerweise verkauft Andrés die Tacos in einem gewerblichen Food Truck , heute gibt es sie gegen eine Spende von einem oder zwei Euro. Den Gewinn möchte er am Ende des Tages an „Köln gegen Rechts“ spenden.

Auf die Frage, warum er heute mit seinem Stand hier sei, antwortet er: „Mir ist es wichtig, Leute, die sich für die Demokratie einsetzen, zu unterstützen. Ich stehe hier für die friedlichen Menschen, die sich für ein weltoffenes und tolerantes Deutschland einsetzen.“ Seit 7 Uhr sei er bereits hier auf dem Heumarkt. Bleiben wolle er, bis niemand mehr Hunger hat. Mittlerweile wurde das kölsche Schunkeln von „Remmidemmi-Dance“ zum Mitsingen und Mittanzen abgelöst.

Zwischendurch lassen die Wolken ein paar Sonnenstrahlen durch und immer mehr Menschen versammeln sich auf dem Heumarkt. In der Menge finden sich auch viele Karnevalisten und Teilnehmer, die sich zur Feier des Tages besonders bunt gekleidet haben. So auch Christiane und Stefan. Den beiden gehe es in erster Linie darum, ein Zeichen für ein buntes und tolerantes Köln zu setzen. Trotzdem sind sie der Meinung, dass sich auch Demonstranten an Regeln halten müssen. Die Blockaden hielten sie deswegen für unangemessen.

„Wichtig ist es doch, eine demokratische Auseinandersetzung zustande zu bringen. Die AfD hat schließlich auch ihre Rechte." Sebastian, der an einem Stand Flyer und Sticker gegen die AfD verteilt, tritt ein bisschen bestimmter auf. „Ich verstehe nicht, warum wir im Jahr 2017 noch Fremdenhass brauchen. Wenn man die Möglichkeit hat, seine Meinung zu sagen und dagegen aufzustehen, sollte man das auch tun.“ Die Blockaden betrachte er demnach als adäquates Mittel, um die AfD zu stören. Viele Demonstranten stimmen ihm in diesem Punkt zu, auch wenn sie selbst nicht an den Blockaden rund um das Maritim teilnehmen.

Auch Andy, der mit zahlreichen Schildern ausgestattet ist, findet, dass Blockaden eine Möglichkeit seien, sich der Partei entgegenzustellen. Besonders wichtig sei es, der AfD zu sagen, dass sie nicht die Mehrheit der deutschen Gesellschaft vertreten. Wie sich zeigt, gibt es zahlreiche Gründe, um heute an den Protesten teilzunehmen. Inzwischen haben die „Frauen in bunt“ das Mikrofon auf dem gut gefüllten Platz ergriffen. Ihr Grund für die Teilnahme an der Kundgebung sei das Frauenbild, das die AfD propagiere. Man wolle nicht zurück in die 50er, zu einem Geschlechterverständnis, das keine alternativen Lebensentwürfe zuließe.

Diese Ansicht teilen auch Martine, Herbert, Jörg und Claudia von der Gewerkschaft ver.di. Nicht nur in puncto Frauenbild, sondern auch in vielen anderen Bereichen bedeute die Wahl der AfD eine Rückkehr in die 50er Jahre. Aus Arbeitnehmersicht störe sie besonders, dass die Partei sich gegen den Mindestlohn ausgesprochen habe und auch ansonsten nicht viel auf Arbeitnehmerschutz setze. Was sie sich wünschen, sei eine Zukunft für ihre Kinder und Enkelkinder, die auf Demokratie, Vielfalt und Menschenrechte gründet. Deswegen gingen sie heute nicht nur gegen die AfD auf die Straße, sondern auch gegen Erdoǧan, Le Pen und alle anderen populistischen und autoritären Kräfte, die diese Werte bedrohen. Ein paar Teilnehmer haben kein Interesse daran, mit „der Presse“ zu sprechen.

Grund dafür sei der Mangel an Vertrauen in etablierte Medien. Bisher bleiben Gespräche dieser Art heute allerdings Einzelfälle. Entgegen der Meldungen aus der unmittelbaren Umgebung des AfD-Parteitages sind die Kundgebungen in der Innenstadt von bunten Farben, einem freundlichen und offenen Umgang und vor allem sehr kreativen Formen des Protestes geprägt. Als sich die bunt gemixten Gruppen von Demonstranten jeden Alters zum ersten Demonstrationszug versammeln, vermischen sich Technobeats mit Karnevalsmusik. Ein Zeichen für Vielfalt zu setzen, ist hier jedenfalls gelungen.

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