Kommentar zum Schulbeginn in Nordrhein-Westfalen Viele Baustellen

Meinung | Nordrhein-Westfalen · Für die neue Schulministerin und ihr Team wird das neue Schuljahr eine ganz besondere Herausforderung, kommentiert GA-Redakteur Bernd Eyermann.

 Viele Fragen zum Thema Schule sind noch ungeklärt.

Viele Fragen zum Thema Schule sind noch ungeklärt.

Foto: dpa

Wenn an diesem Mittwoch in Nordrhein-Westfalen die Schule beginnt, wird das für viele der rund 2,5 Millionen Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen vermutlich kein Freudentag sein. Für sie ist Schule eher das notwendige Übel. Andere werden sich freuen, weil sie Schule als bereichernd empfinden.

Letzteres gilt sicher auch für viele jener jungen Menschen, die als Flüchtlinge gekommen sind und Schule als großes Lernabenteuer und Herausforderung erleben. Wer in der Heimat kaum regelmäßigen Unterricht hatte, ist froh, diesen hier genießen zu können. Außerdem: Wo sonst, wenn nicht in der Schule, kann Integration gelingen. Daher lohnt jede Anstrengung, junge Menschen einzubeziehen. Was heute funktioniert, muss später nicht repariert werden.

Richtig ist in diesem Zusammenhang aber auch die Entscheidung der neuen Landesregierung, Flüchtlingskindern übergangsweise zu ermöglichen, in separaten Klassen Deutsch zu lernen. Wer dem Unterricht aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht folgen kann, kann eben auch kaum integriert werden.

Apropos Landesregierung: Für die neue Schulministerin und ihr Team wird das neue Schuljahr eine ganz besondere Herausforderung. Die Kölner FDP-Politikerin Yvonne Gebauer galt in den vergangenen Jahren als eine der schärfsten Kritikerinnen der Schulpolitik unter Sylvia Löhrmann. Doch schon bald werden die Baustellen der früheren grünen Schulministerin ihre sein. Lehrer, Eltern und Schüler werden genau hinschauen, was „die Neue“ bewirken wird.

Zum Beispiel gegen den Lehrermangel: Gut 2000 Stellen konnten zum neuen Schuljahr nicht besetzt werden, gerade in den Grundschulen. Der Fachkräftemangel lässt grüßen. Für das nächste Jahr plant Gebauer eine Werbekampagne für neue Lehrer. Das ist zwar verdienstvoll, doch bis die neuen Lehrer „auf dem Markt sind“, werden Jahre vergangen sein. Jetzt wäre es an der Zeit, mehr Seiteneinsteiger zu motivieren, Lehrer zu werden. In Sachen Unterrichtsausfall passt Gebauers Vorhaben, erst 2018/19 den Ausfall „schulscharf“ zu ermitteln, nicht zur früheren Kritik von CDU und FDP, dass man in digitalen Zeiten doch eigentlich auf Knopfdruck den Ausfall erkennen müsse. Hat die bisherige Opposition da zu viel versprochen?

Bei der Inklusion ist gut, dass sich die neue Ministerin Zeit für die Analyse nehmen will, wie es etwa um den Bedarf an Förderschulen steht, wenn Eltern ihre Kinder eben nicht in die Regelschule schicken wollen. Und auch bei der Umgestaltung des Gymnasiums von acht auf neun Jahre das neue G9 nicht überstürzt einzuführen, ist zu begrüßen. So können Fehler vermieden werden, die man bei der viel zu schnellen G8-Einführung gemacht hat. Außerdem wird man so die Schulen eher mitnehmen können, die sich schließlich entscheiden müssen, ob sie beim G8 bleiben oder zum G9 zurückkehren wollen.

Dennoch den heutigen Viertklässlern zu ermöglichen, in Richtung G9 zu gehen, ist sicher ebenfalls sinnvoll. Vielleicht werden viele von ihnen die Schule, wenn der Unterrichtsstoff dort weniger schnell vermittelt werden muss als bei heutigen G8-Schülern, dann auch mehr als Bereicherung denn als notwendiges Übel empfinden.

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