Großrazzia in NRW So ging die Polizei gegen die Hells Angels vor

Bonn · Mehr als 700 Polizisten im Einsatz, zwei Rockergruppen verboten, umfangreiche Beschlagnahmungen: NRW ist mit einer landesweiten Razzia massiv gegen die Hells Angels vorgegangen.

Es ist kurz nach sechs Uhr am Morgen, als in Erkrath der Zugriff erfolgt. Spezialeinsatzkräfte durchsuchen zwölf Wohnungen und Vereinsräumlichkeiten im Rockermilieu. Die Polizisten sind gekommen, um ein Verbot gegen den örtlichen Hells-Angels-Ableger „Concrete City“ und dessen Unterstützer-Organisation „Clan 81 Germany“ durchzusetzen.

„Wir haben ihnen mündlich und schriftlich mitgeteilt, dass ihre Organisationen nun verboten sind“, sagt ein Polizeisprecher. Die Mitglieder des Vereins seien nachweislich kriminell, begründet NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) die Maßnahme. Ihr Alltag bestehe aus Gewalt, Waffen, Drogen und Zwangsprostitution. „Der Rechtsstaat nimmt nicht hin, dass Parallelgesellschaften wuchern, in denen seine Autorität und das Gewaltmonopol missachtet werden.“

16 Städte, 50 Objekte, 700 Polizisten

In 16 NRW-Städten (Erkrath, Wülfrath, Düsseldorf, Ratingen, Wuppertal, Köln, Leverkusen, Bergheim, Neuss, Pulheim, Kevelaer, Goch, Rösrath, Heiligenhaus, Krefeld und Warendorf) durchsuchen die Beamten in 50 Objekten Räume, Wohnungen, Lagerhallen. Insgesamt sind mehr als 700 Polizisten an der Aktion beteiligt, darunter Spezialeinsatzkommandos, Einsatzhundertschaften, szenekundige Ermittler und zahlreiche Diensthunde. Sichergestellt werden Computer, Datenträger, Glücksspielautomaten, Rockerkutten und neun Motorräder der kriminellen Rocker. „Wir hatten auch den Auftrag, das Vereinsvermögen sicherzustellen“, so der Polizeisprecher.

Das Verbot bezieht sich nur auf den Hells-Angels-Ableger „Concrete City“ und dessen Unterstützer-Organisation „Clan 81 Germany“, nicht aber auf andere Gruppierungen der Hells Angels. Vor zwei Jahren hatte das Bundesinnenministerium den Hells-Angels-Ableger in Bonn verboten; 2012 musste der Verein Hells Angels MC Cologne in Köln aufgelöst werden. Auch in anderen Bundesländern bestehen Verbote gegen einzelne Clubs.

15 Vereine, 307 Mitglieder

In Nordrhein-Westfalen gibt es derzeit 15 Hells-Angels-Vereine, wie aus dem aktuellen vertraulichen Lagebild zur Rockerkriminalität in NRW des Landeskriminalamtes (LKA) hervorgeht, das unserer Redaktion vorliegt. Demnach haben die Hells Angels in NRW 307 Mitglieder und sind nach den Bandidos, mit denen sie verfeindet sind, und Gremium MC die drittgrößte Rockervereinigung des Landes. Insgesamt zählt das LKA in NRW derzeit 2166 Rocker; die mit Abstand meisten Mitglieder haben aber mit 890 die Bandidos.

Von den Rockern geht ein hohes Gefahrenpotenzial aus. „Sowohl bei vorbereiteten Auseinandersetzungen als auch bei spontanen Gewalttätigkeiten ist mit dem Einsatz von Waffen zu rechnen. Dies gilt insbesondere für Schusswaffen“, heißt es in dem LKA-Bericht. „In diesem Zusammenhang können Gefahrensituationen auch für Unbeteiligte nicht ausgeschlossen werden.“

Immer wieder Einsätze in Erkrath

Die Hells Angels hatten ihre Aktivitäten vor einiger Zeit ins beschauliche Erkrath verlagert, nachdem in Düsseldorf der letzte Unterstützer-Club, der „Clan 81“, verboten worden war. „Es zeichnete sich schon länger ab, dass sich in Erkrath etwas zusammenbraut. Wir hatten dort in letzter Zeit immer wieder Einsätze. Es gab dort Konflikte mit libanesischen Großfamilien“, sagt ein Ermittler aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität.

„Wir mussten dem etwas entgegensetzen und durften uns nicht weiter von ihnen auf der Nase herumtanzen lassen“, sagt Reul und ergänzt: „Wir beobachten die Rockerszene ganz genau und kennen die Akteure und Strukturen. Dadurch sind wir in der Lage, einzelne Charter und Chapter gezielt zu zerschlagen.“

Großeinsatz in der Kritik

Ein Rechtsanwalt der Hells Angels kritisiert den Großeinsatz der Polizei umgehend. Die Polizei sei über das Ziel hinausgeschossen, sagte der Jurist. Es seien Dinge beschlagnahmt worden, die nicht vom Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf umfasst gewesen seien, sagte er, darunter die Motorräder. Der Anwalt kündigt an, rechtliche Schritte gegen das Vereinsverbot prüfen zu wollen. Bei der Polizei sehe man dieser Ankündigung gelassen entgegen, hieß es.

Die Polizei unterscheidet zwischen Rockergangs, den sogenannten „Outlaw-Motorcycle-Gangs“ wie den Bandidos, Hells Angels sowie Freeway Riders und rockerähnlichen Gruppierungen. Dazu gehören in NRW die Black Jackets, die United Tribuns und die Osmanen Germania BC. Diese würden auch überregional an Bedeutung gewinnen, so die Polizei. Während die Bandidos das Ruhrgebiet kontrollieren, haben sich ihre Erzfeinde, die Hells Angels, vor allem im Rheinland ausgebreitet. Als Hochburg der Angels in NRW gilt Köln. Doch nach wie vor überschneiden sich die Interessen der verfeindeten Rockerclubs im Ruhrgebiet, vor allem aber in Duisburg. Grund für die Revierkämpfe dort ist eines der größten Rotlichtviertel Deutschlands: Monatlich verdienen die Betreiber laut Polizei rund eine Million Euro.

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