Nach der NRW-Landtagswahl So geht es bei den Parteien jetzt weiter

Die SPD spricht sich nach ihrer schweren Wahlniederlage in NRW selbst Mut zu und will wieder aufstehen. Ein Neustart ohne Hype soll die Wende im Bund bringen. So sieht es bei den Sozialdemokraten und den anderen Parteien aus.

In Momenten der Niederlage wirkt Müdigkeit doppelt und dreifach. Gekämpft, verloren, am Boden. Martin Schulz bemüht an diesem Vormittag noch einmal ein Bild aus dem Boxsport: Einen „Leberhaken“ habe seine Partei kassiert, aber dies bedeute nicht, dass auch die nächste Runde an den Gegner gehe. Um den SPD-Vorsitzenden hat sich die Parteispitze geschart. Wie war das gleich nochmal? „Wir gewinnen gemeinsam, und wir verlieren auch gemeinsam.“ Gleich wollen die Genossen hinter verschlossener Tür „in erster Lesung“ über ihr Programm für die Bundestagswahl beraten. Im Juni soll es dann von einem Programm-Parteitag verabschiedet werden.

Die große Überschrift, das große Thema, das die SPD mit Gewinn durch diesen Bundestagswahlkampf tragen soll: Soziale Gerechtigkeit. Es gehört zum politischen Erbgut der Sozialdemokratie. Die Genossen setzen darauf, dass es auch oder gerade im Zeitalter der Globalisierung und der Digitalisierung bei den Wählern zieht. Aber erst einmal muss die SPD diese Niederlage in ihrer Herzkammer NRW verkraften.

Schulz lebt von der Auto-suggestion

Schulz, der Kanzlerkandidat, lebt in solchen Momenten des Niederschlags, da die große Welle der Euphorie um seine Person komplett verebbt ist, auch von Auto-suggestion. Er muss an sich glauben, weil sonst auch andere nicht mehr an ihn glauben. Schulz: „Wir sind zuversichtlich, weil wir glauben, dass wir das richtige, das bessere Zukunftsprogramm haben.“

Hannelore Kraft ist in diesen Minuten, da Schulz die Mannschaft um sich sammelt, bereits in Teilen politische Vergangenheit. Landesvorsitz und den Posten als Partei-Vize der Bundes-SPD hat sie am Abend zuvor niedergelegt. Es gehe eben auch um Verantwortung und die müsse dahin gehen, „wo sie hingehört“. In NRW habe sie die Entscheidungen getroffen. „Und deshalb trage ich auch die Verantwortung.“ Kraft sieht ähnlich wie Schulz müde, erschöpft, enttäuscht aus. „Die SPD wird in meinem Herzen bleiben“, sagt die scheidende Ministerpräsidentin. Schulz überreicht ihr einen Blumenstrauß. Applaus. Dann fällt Kraft noch etwas ein: „Dieses Wahlergebnis ist eine Aufforderung an die gesamte Partei – bis zum letzten Mitglied – jetzt zu kämpfen in Richtung Bundestagswahl.“

Zwei Lehren aus der Niederlage

Über den Kampf also will die SPD zurück ins Spiel finden. Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sieht zwei Lehren, die seine Partei möglichst aus dieser Niederlage ziehen sollte. Erstens: Wahlen würden zunehmend in den letzten zwei bis drei Wochen vor dem Termin entschieden. Zweitens: Amtsinhaber seien nicht mehr sicher. „Amtsinhaber können verlieren, und das kann auch Frau Merkel passieren“, versucht Oppermann eine Botschaft der Hoffnung zu finden.

Armin Laschet stecken gleichfalls die Strapazen eines zehrenden Wahlkampfes in den Kleidern. Im Unterschied zu Kraft hat er aber einen Vorteil. Ihn trägt die Euphorie eines lange Zeit kaum für möglich gehaltenen Sieges. Laschet sieht sich bestätigt und für seine Linie belohnt: „Selbst wenn die Umfragen schwierig sind, kann man Kurs halten.“

Laschet und die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel sind bester Dinge, Merkel in der ihr eigenen nüchternen Art. Ihr Anteil an dem Wahlsieg von Laschet und der NRW-CDU? Es sei wie immer so gewesen, dass sie die Landesverbände unterstütze, wenn diese das wünschten, „ansonsten sind es Landtagswahlen“. Merkel will sich ihren Kurs und auch die spätere Korrektur ihres Kurses in der Flüchtlingspolitik nicht schlechtreden lassen. Natürlich sei dies eine „sich fortsetzende Entwicklung“, so Merkel, und räumt damit indirekt ein, dass diese Kurskorrektur mit zu den Wahlerfolgen im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen beigetragen habe. Trotzdem bleibe es dabei, „dass wir 2015 etwas Hervorragendes geleistet haben“.

Auseinandersetzung um die Macht im Bund

Während Laschet nun mit den potenziellen Partnern FDP und SPD „nüchtern“ Gespräche führen will, stimmt sich Merkel schon auf die nächste Phase ein. Die Landtagswahlen dieses Jahres seien nun absolviert, jetzt beginne die Auseinandersetzung um die Macht im Bund. Die Themen: Innovation, Gerechtigkeit, Sicherheit, Haushalt, Flüchtlinge, Europa.

Mit wem die CDU in NRW koaliert? Schwarz-Gelb ist möglich. Das historisch beste FDP-Ergebnis bei einer Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist eng mit der Person von Christian Lindner verknüpft. Der FDP-Bundesvorsitzende genießt, sieht den Auftrag, will sich aber zugleich keine Aussage entlocken lassen, ob er, wenn der Wiedereinzug der FDP in den Bundestag misslingt, dann nach NRW zurückkehrt. Warum?

„Alles, was ich dazu sage, wird dann eine bestimmende Nachricht. Und das will ich nicht.“ Er betreibe keine „Was wäre wenn…“-Überlegungen, damit vergeude er nur Energie, sagt Lindner im Saal der Bundespressekonferenz. Die FDP sei personell in der Lage, in NRW Regierungsverantwortung zu übernehmen. Die entscheidende Frage: Kommt man mit dem künftigen Koalitionspartner auch zu einem Programm, das für Politikwechsel stehe. Die Grünen wiederum müssen – ähnlich wie die SPD – ihre Niederlage erst einmal verdauen. Die Wählerinnen und Wähler in Nordrhein-Westfalen haben sie bei der Zustimmung für ihre Politik beinahe halbiert. NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann glaubt, dass es nicht gelungen sei, die Verknüpfung von Ökonomie und Ökologie im Wahlkampf ausreichend zu erklären.

Grüne kündigen härtere Gangart an

Die Grünen-Spitzenkandidatin für die Wahl im Bund, Katrin Göring-Eckardt, kündigt für die nächsten Monate schon mal eine härtere Gangart an. „Es wird lebendig und kräftig und schärfer werden in den nächsten Monaten.“ Die Grünen hätten in NRW eine Wahl verloren, „unsere Überzeugungen aber nicht“. Für die Grünen werde es darum gehen, klarzumachen, warum die Frage der Ökologie eine Existenzfrage sei.

Die Alternative für Deutschland ist zur frühen Stunde in Mannschaftsstärke angetreten: zwei Bundesvorsitzende, zwei Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, ein Landesvorsitzender. Der AfD-Spitzenkandidat in NRW, Marcus Pretzell, gibt sich in Berlin überaus selbstbewusst: „Ich erwarte immer noch ein Dankesschreiben von Armin Laschet“, so Pretzell. Seine Partei habe mit ihren Themen mit dazu beigetragen, dass die SPD im neu gewählten Landtag in Düsseldorf nur noch zweitstärkste Kraft sei. Laschet wie Lindner seien „sehr nahe an AfD-Positionen herangerückt“.

Auf ein Dankesschreiben von Laschet wird Pretzell derweil lange warten müssen. Der CDU-Spitzenkandidat macht deutlich, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen sei. Laschet betont, dass die AfD vor allem in Problemvierteln von Großstädten des Ruhrgebiets sehr stark gewählt worden sei. SPD, bitte kommen! Doch die hat aktuell andere Probleme.

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