Salafismus in NRW Salafisten verstecken sich im Netz nicht mehr

DÜSSELDORF · Elf Anschlagsversuche islamistischer Terroristen sind von deutschen Sicherheitsbehörden allein 2014 vereitelt worden. Die neue Gefahr durch Einzeltäter, Kleinstgruppen und militärisch geschulte Syrien-Rückkehrer versetzt den NRW-Verfassungsschutz aber in erhöhte Alarmbereitschaft.

"Es gibt keine konkreten Hinweise auf geplante Anschläge in NRW. Aber es gibt ein Grundrauschen, dass die Szene motiviert ist", warnte Innenminister Ralf Jäger (SPD) gestern im Landtag.

Nach Kenntnis der Behörden werben derzeit 40 kleine salafistische Netzwerke neue Sympathisanten in Nordrhein-Westfalen an. Meist handelt es sich bei den Kandidaten um junge Männer mit Versagenserlebnissen, die vorher oft nicht religiös waren und eine Aufgabe herbeisehnen. Verfassungsschutzchef Burkhard Freier erläuterte, dass zehn Prozent der Islamisten Frauen sind. Bei der Ausreise nach Syrien liegt die Frauenquote sogar bei 17 Prozent, zwölf Prozent der Ausreisenden sind minderjährig.

In diesen Tagen analysiert der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz, wer von den 300 möglichen Gefährdern in NRW besonders gefährlich ist. Eine Rund-um-die-Uhr-Bewachung gewaltbereiter Salafisten erfordert 35 bis 40 Beamte. "Das ist technisch und personell nicht machbar", rechnete Jäger im Parlamentarischen Kontrollgremium des Landtags vor. Die Behörden erwarten eine dauerhaft erhöhte Gefährdungslage - deshalb wurde der Verfassungsschutz in NRW 2015 um 29 Beamte aufgestockt.

Die Zeiten, in denen sich Salafisten im Netz verstecken, sind vorbei. Die Extremisten scheuen sich nicht mehr, den Dschihad mit dem eigenen Namen im Internet zu unterstützen. Kriegsberichte aus Syrien und dem Irak werden über soziale Netze wie "WhatsApp" verbreitet. "Man erlebt so den Krieg auf dem Sofa", kritisierte Freier. Viele Rückkehrer würden später als Helden gefeiert und lebten von Spenden aus der Szene.

Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes findet eine Radikalisierung junger Salafisten außerhalb der Moscheevereine über das Internet statt. "Junge Männer fühlen sich vom Schwarz-Weiß-Denken angesprochen", weiß Freier. Die zunehmende Propaganda in deutscher Sprache wirke.

Theo Kruse, CDU-Innenexperte im Landtag, findet es besonders beunruhigend, dass Syrien-Rückkehrer das Land häufig als Ruhe- und Rückzugsraum nutzen und nach einer gewissen Zeit wieder in die syrischen Dschihad-Gebiete aufbrechen. "Wir dürfen es nicht zulassen, dass NRW zur Drehscheibe islamistischer Gotteskrieger wird", warnte Kruse. Die Verfassungsschützer plagt aber die Sorge, dass sie meist nicht wissen, welcher Rückkehrer aus Syrien mit dem Auftrag im Gepäck nach NRW einreist, hier einen Anschlag zu verüben.

75 Prozent der ausreisenden Islamisten aus Nordrhein-Westfalen sind deutsche Staatsbürger. Minister Jäger begrüßte deshalb die Entscheidung des Bundes, möglichen Gefährdern vor einer Ausreise über die Türkei nach Syrien den Personalausweis zu entziehen. Zwar streben längst nicht alle Ausreisewilligen den Märtyrertod an. Viele militärisch ausgebildete Salafisten reagieren aber nach Kenntnis der Sicherheitsbehörden später unter den Kriegseindrücken unberechenbar. Deshalb kann aus Sicht Jägers niemand garantieren, dass auch künftig jeder Anschlagsversuch verhindert werden kann.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort