Nach Festnahme in Österreich Polizei verhört Terrorverdächtigen aus Neuss

Wien/Neuss · Österreich ist alarmiert. Ein junger Mann soll einen Bombenanschlag in einer Wiener U-Bahn geplant haben. Ein möglicher Komplize wurde nun in Neussverhaftet. Was hatten die beiden vor?

Gerade einmal einen Monat ist es her, dass der Tunesier Anis Amri mit einem Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz raste und zwölf Menschen tötete. Der 24-Jährige war als islamistischer Gefährder bekannt, er war hochmobil, ständig unterwegs, sein Schwerpunkt aber lag in Nordrhein-Westfalen. Wegen des Umgangs mit Amri stehen die Sicherheitsbehörden in NRW schwer in der Kritik.

Nach der Festnahme eines 21-jährigen Terrorverdächtigen im rheinischen Neuss sind umfangreiche grenzüberschreitende Ermittlungen angelaufen. Der Mann soll an diesem Montag intensiv befragt werden. Außerdem werden die Datenträger untersucht, die am Samstagabend bei der Festnahme beschlagnahmt wurden, wie ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Innenministeriums sagte.

Gegen den 21-Jährigen war am Sonntagabend Haftbefehl ergangen. Er steht im Verdacht, einem 17-jährigen Terrorverdächtigen aus Wien bei den Vorbereitungen für einen Anschlag in Österreich geholfen haben. Die beiden Männer sollen in der Neusser Wohnung mit Mitteln zur Herstellung von Sprengstoff experimentiert haben.

Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei hatte den 21-Jährigen und seine Frau am Samstagabend in ihrer Wohnung festgenommen. Die Frau wurde später wieder freigelassen. Der Mann kam in Untersuchungshaft wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat. Die Bundesanwaltschaft will die Ermittlungen aber zurzeit nicht an sich ziehen.

Die Verhaftung in Wien hat in Österreich große Unruhe ausgelöst. Die Terrorgefahr war nach Einschätzung des Wiener Innenministerium noch nie so groß. Der radikalisierte 17-Jährige steht im Verdacht, eine Attacke in Wien vorbereitet zu haben. Laut den Ermittlern wollte er in der zweiten Januarhälfte eine Bombe in einer U-Bahn oder an einem anderen stark frequentierten Platz zünden. Freitagabend wurde der junge Mann gefasst. Er ließ sich widerstandslos festnehmen. Befreundete Geheimdienste hatten die österreichischen Behörden über die Gefahr informiert.

Der gebürtige Niederösterreicher mit albanischen Wurzeln war als Kleinkrimineller bereits polizeibekannt. Er hatte sich nach Erkenntnissen der Ermittler zuletzt in einem radikalen albanisch-islamistischen Milieu bewegt. Medienberichte, wonach sich der 17-Jährige zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekannt haben soll, wurden von offizieller Seite bislang nicht bestätigt.

Auch Angaben, wonach er im Internet nach Informationen zum Bau einer Bombe gesucht und bereits erstes Material gekauft habe, blieben unkommentiert. Auszuschließen sei jedenfalls, dass der Mann ein Heimkehrer aus einem Kriegsgebiet der Terrormiliz IS sei, hieß es lediglich. Die Radikalisierung habe in Österreich stattgefunden.

Enge Kontakte zum 21-Jährigen aus Neuss

Nach den bisherigen Ermittlungen hatte der Wiener Verdächtige dabei enge Kontakte zu dem 21-Jährigen aus Neuss. Laut Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hat der Österreicher in der Neusser Wohnung bei dem 21-Jährigen übernachtet. Sie hätten zusammen mit Sprengstoff experimentiert, berichtet „Focus Online“. Sprengstoff für Wien oder Sprengstoff für einen Anschlag in Deutschland? Das nordrhein-westfälische Innenministerium hält sich dazu vorerst bedeckt. „Das wichtigste ist: Der Neusser sitzt jetzt in Haft und kann erst mal keinen Schaden mehr anrichten“, sagte ein Sprecher.

Laut Staatsanwaltschaft Düsseldorf soll der Mann über einen Anschlag auf Bundeswehrziele nachgedacht haben. „Focus Online“ berichtet von Plänen für einen Bombenanschlag auf Polizisten und Bundeswehrsoldaten. Auch wenn es dafür keine Bestätigung gab, rückt mit der Festnahme erneut Nordrhein-Westfalen in den Mittelpunkt der Terrorfahndung.

In wohl keinem anderen Bundesland sind extremistische Salafisten so aktiv wie in NRW. Vor allem im Rheinland und im Ruhrgebiet sind laut Verfassungsschutz Dutzende Islamistengruppen aktiv. Auch die Spur des Berliner Attentäters Amri führt nach Nordrhein-Westfalen. Er war dort gemeldet, wurde länger observiert - und dennoch konnte er den Behörden entwischen und in Berlin einen Anschlag verüben.

Der bereits wegen der Kölner Silvesternacht stark umstrittene Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) steht deshalb wenige Monate vor der Landtagswahl unter Druck. Am vergangenen Freitag wurde zudem bekannt, dass die im vergangenen Jahr aufgeflogenen Anschlagspläne einer Düsseldorfer IS-Terrorzelle weiter gediehen waren als bislang angenommen. Die Festnahme des Neussers verbuchte Jäger am Sonntag aber erst mal als Erfolg: In einer Pressemitteilung lobte er im Blitztempo die „gute, schnelle und vertrauensvolle“ Zusammenarbeit im Anti-Terror-Kampf.

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