Gewerkschaft attackiert Gabriel wegen Braunkohle-Politik NRW schont Wirtschaft beim Klimaschutz

DÜSSELDORF/BERLIN · Die NRW-Landesregierung verzichtet beim neuen Klimaschutzplan auf die von der Wirtschaft befürchteten Zwangsmaßnahmen und Auflagen zur Durchsetzung der Umweltziele. Stattdessen werden 224 Maßnahmen zur Senkung der Schadstoffbelastung vorgeschlagen. NRW will den Ausstoß von Treibhausgas bis 2020 um mindestens 25 Prozent gegenüber 1990 senken - bisher sind 16 Prozent erreicht.

 Braunkohleabbau in Garzweiler: Die von Bundeswirtschaftsminister Gabriel geplante Klimaschutzabgabe mache die Produktion unwirtschaftlich, klagt die Gewerkschaft IGBCE.

Braunkohleabbau in Garzweiler: Die von Bundeswirtschaftsminister Gabriel geplante Klimaschutzabgabe mache die Produktion unwirtschaftlich, klagt die Gewerkschaft IGBCE.

Foto: dpa

Bei der Vorstellung des vom Kabinett verabschiedeten Klimaschutzplans sprach Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) von einer "Einladung". Ohne die Mitwirkung von Industrie und Wirtschaft seien die Umweltziele nicht zu erreichen. In der laufenden Wahlperiode bis 2017 verzichtet NRW deshalb auf rechtsverbindliche Festlegungen. Damit hat sich offenbar die Wirtschaft vorläufig gegen weitergehende Überlegungen durchgesetzt.

Remmel schloss allerdings verbindliche Vorgaben des Landes nach 2017 nicht generell aus

Der Klimaschutzplan setzt unter anderem auf die Verdopplung der Solardächer in NRW bis 2025. Durch dezentrale Energie-Systeme und die Zusammenarbeit mit Wohnungsbau-Genossenschaften soll der Klimaschutz "von unten" wachsen. Außerdem will Remmel NRW "extrem-wetterfest" machen. 36 Unwetterwarnungen in nur zwei Monaten 2014 zeigten, dass es notwendig sei, Planungen in Ballungsräumen auf stärkere Niederschläge auszurichten. Als langfristiges Ziel sieht Remmel die "emissionsfreie Innenstadt".

NRW sieht sich mit dem Klimaschutzplan als bundesweiter Vorreiter. Für die Industrie biete die ökologische Ausrichtung erhebliche Chancen, betonte Remmel. Zudem habe NRW als Energieland Nr. 1 eine besondere Verantwortung für den Klimaschutz. "Wenn nicht hier, wo dann", so Remmel. CDU-Wirtschaftsexperte Hendrik Wüst warnte vor "klimapolitischen Alleingängen" des Landes.

Im Streit um die Braunkohle wirft die IGBCE Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vor, dem Braunkohletagebau und der Braunkohleverstromung den Garaus machen zu wollen. Von den 38 Kraftwerksblöcken, die derzeit Braunkohle verstromen, würden die allermeisten unprofitabel, wenn Gabriels Plan eines Klimaschutzbeitrages umgesetzt wird.

Dies geht aus Berechnungen hervor, die die IGBCE anhand von Daten der Industrie angestellt hat und Gabriel gestern zukommen ließ. Die Berechnungen liegen unserer Zeitung vor. Die Gewerkschaften machen seit Wochen gegen Gabriels Pläne mobil. Sie warnen, der Klimaschutzbeitrag werde den "Strukturbruch" für die Braunkohleindustrie bringen. Nicht nur viele Kraftwerke müssten mittelfristig abgeschaltet werden. Auch der Braunkohleabbau in den zwei Tagebaurevieren im Rheinland sowie in Brandenburg und Sachsen würde damit unrentabel. Nächste Woche ist eine Großdemonstration in Berlin geplant, bei der 10 000 Braunkohle-Kumpel sowie Arbeiter aus den Kraftwerken vor dem Kanzleramt aufmarschieren wollen.

Basis der IGBCE-Berechnungen sind Daten zu Auslastung, Stromerlös und Kosten für Instandhaltung und Brennstoffe, die die drei Konzerne, die das Geschäft mit der Braunkohle betreiben, zur Verfügung gestellt haben. Demnach würde der Klimaschutzbeitrag schon 2017 die große Mehrheit der Braunkohleblöcke betriebswirtschaftlich massiv beeinflussen. Der Freibetrag für den Ausstoß des klimaschädlichen CO2 entspreche im Schnitt nämlich nur etwas mehr als der Hälfte des aktuellen Ausstoßes. Alle Emissionen, die darüber hinausgehen, so die IGBCE weiter, werden durch die geplante neue Abgabe zusätzlich belastet.

Schon jetzt arbeiteten die Kraftwerke vielfach an der Grenze zur Produktivität. Mit der Einführung des Klimabeitrags würden die allermeisten Braunkohlekraftwerke beim derzeitigen Strompreis nicht mehr die Betriebskosten erwirtschaften können. Selbst wenn der Strompreis bis dahin um rund 15 Prozent steige, könnten mehr als die Hälfte der Blöcke nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden.

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