Kohleausstieg NRW-Grüne zeigen sich ambitionierter als die Bundesumweltministerin

Bonn · Deutet sich wieder einmal ein Konflikt in der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen an - diesmal um den Zeitpunkt des Ausstiegs aus der Braunkohle-Verstromung? Während Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) am liebsten gar nicht über einen Zeitplan reden würde, geht der frühere Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen noch weiter als Krafts Parteifreundin Barbara Hendricks, die Bundesumweltministerin.

 Mensch und Maschine: Ein Braunkohletagebau-Schaufelradbagger bei Weißwasser in der Lausitz. FOTO: DPA

Mensch und Maschine: Ein Braunkohletagebau-Schaufelradbagger bei Weißwasser in der Lausitz. FOTO: DPA

Foto: dpa-Zentralbild

Hendricks hatte in dieser Woche zunächst davon gesprochen, dass sie es für möglich halte, bei der Kohle "einen Ausstiegspfad in 20 bis 25 Jahren ohne Strukturbrüche hinzubekommen". Am Freitag hingegen - nach heftigen Reaktionen von Kraft und NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin auf deren Südamerikareise in Bogotá - ruderte sie zurück und sprach davon, es gehe ihr nicht um ein spezielles Ausstiegsdatum. Im Gegenteil: Sie halte es für "völlig unwahrscheinlich", dass die Bundesrepublik den Kohleausstieg schneller schaffe als in 25 Jahren.

Priggen ist da deutlich ambitionierter. "Ein sozialverträglicher Ausstieg aus der Braunkohle wäre innerhalb von 15 Jahren möglich", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion gestern. Die Kohleverstromung habe zwar noch "eine Gegenwart, aber keine Zukunft mehr". Von daher sei eine Debatte über den geordneten Ausstieg aus der Braunkohle vernünftig. Im Blick auf die Verhandlungen über einen Ausstiegszeitraum ist für Priggen aber auch klar: "Es darf kein Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit fallen."

Ende September schon hatte die NRW-Landesregierung die Entscheidung getroffen, das genehmigte Abbaugebiet in Garzweiler erstmals deutlich zu verkleinern. Vor allem von den Grünen wurde das als Einstieg in den Ausstieg aus der Technik angesehen.

Sowohl CDU als auch FDP stärkten den Sozialdemokraten Kraft und Duin in der Diskussion den Rücken. Hendricks setze "die Sicherheit und Bezahlbarkeit der Energieversorgung aufs Spiel", meinte der FDP-Energieexperte Dietmar Brockes. Zu einer verlässlichen und bezahlbaren Energieversorgung werde auf absehbare Zeit auch die Braunkohle gehören. Erfolgreicher Klimaschutz werde durch den Emissionshandel gestaltet.

Der CDU-Energieexperte Josef Hovenjürgen wies darauf hin, dass das Ende für die Braunkohlentagebaugebiete in NRW längst feststehe und die Äußerungen von Hendricks "überflüssig wie ein Kropf" seien. Das Gebiet Inden sei im Jahr 2030 "ausgekohlt", Garzweiler 2045. Außerdem habe sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit den betroffenen Unternehmen auf die Abschaltung von fünf weiteren Braunkohleblöcken im rheinischen Revier geeinigt, also im Raum zwischen Aachen, Mönchengladbach und Köln. "Die Verunsicherung der Betroffenen im Revier wird damit fortgesetzt, ohne dass ein Gewinn an Planungssicherheit oder Klarheit entstünde", so Hovenjürgen.

Ebenfalls ohne jedes Verständnis für Hendricks zeigten sich die Arbeitnehmervertreter. Von "großer Unruhe unter den Kollegen" war im Kraftwerk Niederaußem die Rede. "Ziemlich überraschend" nannte ein Betriebsrat des Kraftwerksbetreibers RWE Power den Vorstoß und in der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie hieß es, man sehe "keinen Grund, über den Ausstieg aus der Braunkohle zu reden. Nach Angaben der Gewerkschaft arbeiten im Braunkohleabbau und in der Verstromung des Energieträgers 21 400 Beschäftigte, 10 150 davon im rheinischen Revier.

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