Interview mit Lutz Lienenkämper NRW-Finanzminister: "Wir wollen ohne Tricks arbeiten"

Ein Kölner ist der neue Landesfinanzminister. Lutz Lienenkämper erklärt: „Wir haben alles solide durchgerechnet.“ Notwendige Mehrausgaben sollen an anderer Stelle finanziert werden.

 NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper will nach der Sommerpause eine Nachtragshausalt vorlegen.

NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper will nach der Sommerpause eine Nachtragshausalt vorlegen.

Foto: picture alliance / Federico Gamb

Lutz Lienenkämper ist neuer Finanzminister von Nordrhein-Westfalen und damit Chef eines Haushalts mit einem Volumen von über 70 Milliarden Euro. Er möchte mit einem Rettungsschirm den Kita-Trägern mehr Gelder zu Verfügung stellen und die Polizeiausbildung ausweiten. Mit ihm sprachen Michael Bröcker und Martin Kessler.

Herr Lienenkämper, Sie sind gebürtiger Kölner und Jurist, da sind Sie doch eher ein ausgebendes Wesen. Können Sie auch das Geld zusammenhalten?

Lutz Lienenkämper: Die Kölner sind doch bekannt dafür, dass sie rheinisch kluge und nachhaltige Entscheidungen treffen …

… wie man beim Opernbau und diversen maroden Brücken sieht.

Lienenkämper: Köln ist eine Stadt mit einer langen erfolgreichen Tradition, eine Stadt, die sich auf lange Linien gründet. Genauso ist es in der Finanzpolitik. Und den Juristen wird bekanntlich alles nachgesagt.

Ihr Vorgänger Walter-Borjans war sehr erfolgreich mit dem Ankauf von vertraulichen Steuer-CDs. Machen Sie das weiter?

Lienenkämper: Das läuft wie bisher auch: Wir prüfen jedes Angebot im Einzelfall. Dabei schätzen wir die Chancen und Risiken sehr genau und gründlich ein. Das wird wie in der Vergangenheit gehandhabt. Übrigens hat diese Praxis Finanzminister Helmut Linssen eingeleitet, Herr Walter-Borjans hat das dann fortgeführt.

Jede Mehrausgabe soll an anderer Stelle eingespart werden, verspricht Schwarz-Gelb im Koalitionsvertrag. Dann müssten Sie uns ja jetzt eine Sparliste präsentieren?

Lienenkämper: Wir werden eine ehrliche Aufgabenkritik über alle Bereiche machen und in jedem Ressort Effizienzverbesserungen bei Prozessen, Abläufen, auch bei der Verwaltung finden. Auch durch unsere Digitalisierungsoffensive werden wir auf einige Ausgaben verzichten können.

Sie meinen Personalabbau?

Lienenkämper: Sicher führt Digitalisierung auch zu Effizienzsteigerungen, sodass Mitarbeiter danach vielleicht woanders besser eingesetzt werden können.

Die Ausgabenpläne der Koalition summieren sich auf Hunderte Millionen Euro pro Jahr. Woher kommt das Geld?

Lienenkämper: Wir haben alles solide durchgerechnet. Die Aussage gilt, dass notwendige Mehrausgaben für Bildung, Innere Sicherheit und Digitalisierung im Laufe der Legislaturperiode an anderer Stelle finanziert werden. Die Schuldenbremse ab 2020 wird eingehalten.

Also geben Sie jetzt erst mehr Geld aus und hoffen auf Steuermehreinnahmen?

Lienenkämper: Natürlich kosten Investitionen in Innere Sicherheit, Breitbandausbau oder eine bessere Ausstattung an den Schulen zunächst Geld. Aber wir glauben daran, dass diese Ausgaben ökonomisch sinnvoll sind, weil sie mehr wirtschaftliche Dynamik entfalten. Ein höheres Wirtschaftswachstum bringt höhere Steuereinnahmen.

Wann werden Sie einen Nachtragshaushalt vorlegen?

Lienenkämper: Ich gehe davon aus, dass wir früh nach der Sommerpause einen Nachtragshaushalt vorlegen.

Welche Schwerpunkte legen Sie?

Lienenkämper: Wir werden den Kita-Trägern, die bislang völlig unterfinanziert sind, in einem Rettungsprogramm deutlich mehr Geld geben müssen und wir wollen die Polizeiausbildung von 2000 auf 2300 Polizisten ausweiten. Die Voraussetzungen für die Einstellung zusätzlicher Polizeianwärter müssen wir noch in diesem Jahr schaffen und auch im Etat abbilden. Außerdem wollen wir einen ehrlichen Haushalt vorlegen. Wir überprüfen bei der Bestandsaufnahme den Haushalt also auch auf vorhandene Risiken und Buchungstricks der Vorgängerregierung.

Was meinen Sie?

Lienenkämper: Es gab ja eine muntere politische Debatte zum Beispiel über den Kredit aus dem landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb. Außerdem haben wir das Phoenix-Portfolio mit den Risiken der früheren West-LB. Daneben gibt es noch weitere Punkte, die wir uns alle anschauen.

Suchen Sie jetzt Gründe, warum sie die von Rot-Grün für 2017 geplante Neuverschuldung von 1,6 Milliarden Euro beibehalten können?

Lienenkämper: Nein. Wir können sicher nicht sämtliche Ausgaben rückwirkend abschaffen, aber es wird Reparaturen geben. Wir machen eine ehrliche Bestandsaufnahme, wir legen Risiken offen und bilden zugleich unsere politischen Schwerpunkte ab.

Jede neue Regierung spricht von einem Kassensturz. Aber gab es wirklich Haushaltsdaten, die Ihnen aus der Opposition nicht vorlagen, die Sie erst jetzt kennen?

Lienenkämper: Die reinen Etatzahlen sind bekannt, aber die Strukturen hinter den Zahlen, die Kalkulationsgrundlagen und die inneren Abläufe eines Ministeriums lagen uns natürlich nicht vor. Das analysieren wir jetzt.

Wie viel Prozent des Haushalts können Sie überhaupt kurzfristig bewegen?

Lienenkämper: Sicher nur weniger als fünf Prozent.

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