Interview mit Oberkirchenrätin Barbara Rudolph "Muslime sind im Rheinland zuhause"

Oberkirchenrätin Barbara Rudolph ist in der Leitung der Evangelischen Kirche im Rheinland sowohl für den evangelisch-katholischen Dialog zuständig als auch für das Gespräch mit dem Judentum und dem Islam.

 Muslime beten am "Tag der offenen Moschee" in ihrem Gotteshaus. Miteinander im Gespräch bleiben ist wichtig, findet Barbara Rudolph.

Muslime beten am "Tag der offenen Moschee" in ihrem Gotteshaus. Miteinander im Gespräch bleiben ist wichtig, findet Barbara Rudolph.

Foto: dpa

Da auch der Kontakt ihrer Kirche zu deren 14 Partnerkirchen zu ihren Aufgaben gehört und sie zahlreiche internationale Ämter innehat, kennt sich die weit gereiste Theologin bestens auch in Fragen des Islam aus. Mit ihr sprach K. Rüdiger Durth.

Die Kirchen legen großen Wert auf eine gute Nachbarschaft zu den Muslimen, ihren Vereinen und Moscheen. Wird dieser Wunsch auf Nachbarschaft von den Muslimen angenommen?
Barbara Rudolph: Die von Ihnen angesprochene gute Nachbarschaft ist eines der Hauptanliegen von Muslima und Christinnen, von Muslimen und Christen, wie auch der Moscheevereine und der Kirchengemeinden. Natürlich gibt es in beiden Religionsgemeinschaften auch Menschen, die Mitglieder der jeweils anderen Gemeinschaft ablehnen. So haben Muslime mitunter Schwierigkeiten, wenn sie eine Moschee bauen wollen. Umgekehrt gibt es mitunter muslimische Schriften, in denen Christen als Ungläubige bezeichnet werden. In der Regel ist es aber ein freundlicher Austausch und es gibt viele aufmerksame Begegnungen.

Beispielsweise?
Rudolph: So grüßen sich die Religionsgemeinschaften gegenseitig zu religiösen Festen wie Weihnachten und Ramadan. Muslime laden am 3. Oktober zum "Tag der offenen Moschee" in ihrer Gotteshäuser ein. Zum ersten Mal gab es im Mai einen gemeinsamen christlich-muslimischen Dialog in Krefeld - eine besondere Form der sehr guten Zusammenarbeit. In NRW wohnen in der Tat auch die meisten Muslime. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass die Zentrale der größten muslimischen Organisation (DITIB) in Köln liegt. Auch der Koordinierungsrat der vier wichtigsten muslimischen Verbände ist hier in unserem Bundesland angesiedelt.

Dennoch wird immer wieder geklagt, dass sich die Muslime auch in der dritten, ja vierten Generation immer weiter von der deutschen Mehrheitsgesellschaft abschotten...
Rudolph: ...ich beobachte beides. Eine Abschottung, ein Leben in einer sprachlich, kulturell und wirtschaftlich abgeschlossenen Gemeinschaft. Aber andererseits gibt es viele junge Menschen mit Migrationshintergrund, die eine gute Ausbildung haben und in allen Berufen unseres Landes präsent sind. Beispielsweise ist dies in den Medien und in der Politik augenfällig.

Ist das nur eine Frage der Religion?
Rudolph: Nur begrenzt. Ein ähnliches Phänomen stelle ich bei der Gruppe der sogenannten Russlanddeutschen fest. Wenn eine Gruppe von Zuwanderern zu groß ist, dass sie sich selbst genügen kann, ist die Gefahr größer als bei kleinen Zuwanderergruppen. Wenn die aufnehmende Gesellschaft dann auch noch Ressentiments zeigt, kann es Entwicklungen geben, die mit dem Wort Abschottung oder Ausgrenzung bezeichnet werden kann.

Die Salafisten spielen nicht nur im Bonn-Kölner-Raum eine Rolle. Sind sie auch Gegenstand von Gesprächen zwischen Ihrer Kirchenleitung und den islamischen Verbänden?
Rudolph: Der Salafismus ist eine Bedrohung für das Christentum und den Islam. Darum ist er selbstverständlich Thema in Gesprächen. Vielleicht ist er für den Islam sogar gefährlicher, weil er einen Alleinvertretungsanspruch hat und liberalen Muslimen ihre Religiosität abspricht.

Ex-Bundespräsident Christian Wulff hat gesagt, der Islam gehöre zu Deutschland. Gehört der Islam inzwischen zum Rheinland?
Rudolph: Auf jeden Fall sind Muslime im Rheinland zuhause. Sie wohnen hier, leben und sterben hier. Mit allem, was sie bewegt, sollen sie sich in dem schönen Rheinland zuhause fühlen. Dazu gehört auch das Recht auf freie Religionsausübung. Je selbstverständlicher das geschieht, desto unproblematischer ist das Zusammenleben möglich.

Nicht wenige Christen fürchten, dass es zu einer Verwischung grundlegender Aussagen der beiden Religionen kommt. Ist diese Sorge berechtigt?
Rudolph: Je mehr sich die evangelische Kirche des interreligiösen Gesprächs annimmt, desto weniger besteht die Gefahr, dass es zu einer Verwischung religiöser Glaubenssätzen kommt. Grundsätzlich zeigt sich, dass man das Anderssein der anderen Religion ohne abzuwerten formulieren kann. In allem, was wir sagen, stellt sich zunehmend eine Bescheidenheit ein, dass unsere Worte menschlich und begrenzt sind, und Gottes Perspektive von niemanden einfach vereinnahmt werden kann.

Zur Person

Barbara Rudolph (56) ist seit einigen Jahren Mitglied der Leitung der Evangelischen Kirche im Rheinland. Nach ihrer Tätigkeit als Pfarrerin am Niederrhein und Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (1986 - 2001) war sie Leiterin der Ökumenischen Centrale in Frankfurt. Anschließend wurde sie von der rheinischen Synode zur Oberkirchenrätin gewählt. Rudolph ist auch für den Kontakt zu den 14 internationalen Partnerkirchen zuständig und hat Ämter in der Vereinten Evangelischen Mission inne.

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