Sozialpolitik in NRW Kraft sagt Sozialmissbrauch den Kampf an

Düsseldorf · Es kommt langsam in Mode: Auch die NRW-Regierung will Scheinbeschäftigung und Kindergeld-Betrug eindämmen. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) macht das Thema zur Chefsache und will mehr Kontrollen von Polizei und Zoll.

 Mit Schrottimmobilien machen unseriöse Vermieter Kasse bei EU-Ausländern.

Mit Schrottimmobilien machen unseriöse Vermieter Kasse bei EU-Ausländern.

Foto: picture alliance / dpa

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) macht den Kampf gegen Sozialmissbrauch in einzelnen Kommunen mit besonders hoher Zuwanderung aus Osteuropa zur Chefsache. Die Regierungschefin hat häufigere Gemeinschaftskontrollen von Polizei, Zoll, Arbeitsagentur und Ordnungsämtern angekündigt. Zuletzt waren dabei in Dortmund, Duisburg und Gelsenkirchen Dutzende Fälle von Scheinbeschäftigung und Kindergeld-Betrug aufgeflogen.

Problem Schrottimmobilien:

Städte mit vergleichsweise günstigem Wohnraum wie Duisburg, Gelsenkirchen oder Dortmund haben in den vergangenen Jahren Tausende Roma aus Bulgarien und Rumänien angezogen, die als EU-Bürger ohne Kontrollen einreisen können. Allein in Duisburg leben mehr als 16.000. Viele wohnen in Matratzenlagern, in denen die Miete bar bezahlt wird. Das Geschäftsmodell der Vermieter: Sie ersteigern ein Haus, hinterlegen einen Pflichtteil von zehn Prozent der Kaufsumme. Wenn der Rest nach sechs Monaten fällig wird, verkaufen sie wieder. In der Zwischenzeit kassieren sie Miete von Roma-Familien. Laut Duisburgs Polizei-Präsidentin Elke Bartels fand man bereits ein Mietshaus mit 50 Wohnungen, das von 1200 Menschen bewohnt wurde.

So reagiert das Land: Seit April 2014 gilt in NRW ein „Wohnungsaufsichtsgesetz“. Städtische Behörden können gegen Vermieter vorgehen, wenn Privatwohnungen überbelegt oder verwahrlost sind. Konkret muss ein Erwachsener mindestens neun Quadratmeter Platz zur Verfügung haben und ein Kind mindestens sechs. Fließend Wasser, Strom, funktionierende Haustechnik und schimmelfreie Bausubstanz gehören nun zur gesetzlich geforderten Mindestausstattung. Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) hat angekündigt, Schrottimmobilien gezielt aufzukaufen und „vom Markt zu nehmen“. Kraft wünscht sich finanzielle Hilfen vom Bund für die Kommunen, damit Schrottimmobilien auch abgerissen werden können.

Problem Kindergeld-Betrug:

Auch EU-Ausländer haben in Deutschland Anspruch auf Kindergeld. Sie müssen zwar den Familienkassen die Existenz des Kindes durch amtliche Dokumente aus dem Heimatland wie Geburtsurkunde oder Ausweis belegen. Doch allzu oft funktioniert der Datenabgleich nicht. Allein die jüngste Razzia in Dortmund, Duisburg und Gelsenkirchen brachte zehn Kinder hervor, die nur auf dem Papier existierten. Auch legal verfügen bitterarme Roma-Familien mit mehreren Kindern allein mit dem deutschen Kindergeld über ein höheres Haushaltseinkommen als in der Heimat.

So reagiert das Land: „Beim Datenabgleich ist noch viel Luft nach oben“, sagte vergangene Woche Gelsenkirchens OB Baranowski im Landtag. Die Bundesregierung hat die Regeln für den Bezug von Kindergeld bereits verschärft. Vorgelegte Dokumente aus den Heimatländern müssen strenger kontrolliert werden. Für Kinder von EU-Ausländern, die im Heimatland leben, wird nur noch Kindergeld gezahlt, wenn die Eltern hier steuerpflichtig sind. Ministerpräsidentin Kraft will nun Kontrolldruck und Datenabgleich weiter verbessern: „Auch über das Thema Kindergeld werden wir reden müssen.“

Problem Sozialbetrug:

EU-Ausländer können sich im grenzenlosen Europa ohne Weiteres in Nordrhein-Westfalen niederlassen, sofern sie hier eine Anstellung finden, von Selbstständigkeit oder eigenen Einkünften leben können. Manche sind nur auf dem Papier selbstständig oder werden von Vereinen zum Schein angestellt, um beim Jobcenter sogenannte Aufstocker-Leistungen zu beantragen. Die Hartz-IV-Leistung ist eigentlich dazu gedacht, Arbeitnehmern oder Rentnern mit geringen Einkünften das Existenzminimum zu sichern.

So reagiert das Land: Die rot-grüne Landesregierung hat am vergangenen Freitag einem Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zugestimmt, der den Sozialbetrug deutlich erschweren soll. Künftig gilt, dass es bei einem Zuzug nach Deutschland einen Anspruch auf Leistungen aus den Sozialsystemen erst nach fünf Jahren geben kann. Die Stadt Essen erhofft sich bei 6000 Rumänen und Bulgaren, von denen die wenigsten sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, Millioneneinsparungen.

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