Schnelles Internet in NRW Kommunikationschaos um den Breitbandausbau

Düsseldorf · Die SPD ist sauer auf die Grünen. Denn der grüne NRW-Umweltminister hatte öffentlich Zweifel an dem Versprechen der SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gesät, dass es schnelles Internet für alle bis 2018 gibt.

 Nicht immer Seite an Seite: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihr Umweltminister Johannes Remmel (Grüne), hier bei einer Pressekonferenz in der vorigen Woche im Landtag.

Nicht immer Seite an Seite: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihr Umweltminister Johannes Remmel (Grüne), hier bei einer Pressekonferenz in der vorigen Woche im Landtag.

Foto: dpa

Die Grünen-Landtagsfraktion kam gestern Morgen nur kurz zur wöchentlichen Sitzung im Düsseldorfer Landtag zusammen. Die Abgeordneten wollten schnell zum traditionellen Sommerfest der NRW-Landesvertretung nach Berlin reisen. Doch ein Thema verhagelte manchen die Feierlaune: das koalitionsinterne Kommunikationschaos um den Breitbandausbau im Land.

Umweltminister Johannes Remmel und sein Staatssekretär Horst Becker (beide Grüne) hatten am Vortag bei einer Pressekonferenz überraschend angedeutet, die bisher stets zugesagte flächendeckende Versorgung Nordrhein-Westfalens mit einer Internet-Datenrate von mindestens 50 Megabit pro Sekunde bis 2018 sei gar nicht zu schaffen. Für ländliche Regionen gehe man davon aus, dass nur etwa 85 Prozent der Haushalte angeschlossen werden könnten.

Remmel und Becker sprachen zwar nur das aus, was Experten schon länger vermutet hatten: Es wird nicht gelingen, innerhalb der nächsten zwei Jahre schnelles Internet auch in entlegenste Orte Nordrhein-Westfalens zu bringen. Innerhalb der Landesregierung löste das freimütige Bekenntnis dennoch Turbulenzen aus. Der hauptsächlich für den Breitbandausbau zuständige Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) korrigierte eilig die Aussagen seiner Kabinettskollegen: „Wir halten am Ziel einer flächendeckenden Breitbandversorgung fest.“

Die Grünen erklärten die Aufweichung der Breitbandgarantie in ihrer Fraktionssitzung gestern umständlich mit rechtlichen Mindestkriterien für Förderanträge der Kommunen. Auch der Bund und die EU, die den Breitbandausbau hauptsächlich finanzieren, rechneten nicht mit einer 100-Prozent-Versorgung bis 2018. „Politisch“ bleibe das Ziel aber die Vollversorgung.

Für Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) dürften die Zweifel an der Breitbandgarantie zur Unzeit kommen. Das Versprechen, alle Haushalte bis 2018 mit schnellem Internet zu versorgen, war Kernbestandteil ihrer „Digital-Offensive“ Anfang 2015 mit dem von Kritikern belächelten Titel: „MegaBits. MegaHerz. MegaStark.“

Noch vor zwei Wochen versicherte die Regierungschefin beim NRW-Medienforum: „Wir werden sicherstellen, dass Nordrhein-Westfalen wie angekündigt bis 2018 flächendeckend mit Breitband versorgt ist – 50 Megabit.“

NRW besitzt als Ballungsraum-Region mit vielen Menschen auf engem Raum eine komfortable Ausgangsposition. Rund 75 Prozent der Haushalte sind landesweit bereits ans schnelle Netz angeschlossen, weil es sich für die Kommunikationsunternehmen rechnet. Nun geht es darum, die sogenannten Wirtschaftlichkeitslücken auf dem Land zu schließen. Nur zehn Prozent der 3000 meist entlegeneren Gewerbegebiete in NRW verfügen über mindestens 50 Mbit/s.

Als „sehr unglücklich“ werden die jüngsten Breitbandirritationen koalitionsintern kritisiert. Sie reihten sich ein in eine Kette von ärgerlichen Kommunikationspannen innerhalb der Landesregierung seit zweieinhalb Jahren, stöhnt mancher.

Dazu gehörte Krafts angebliche Unerreichbarkeit beim Jahrhundert-Unwetter 2014 in Münster („Funkloch-Affäre“). Oder die Fehleinschätzung von Innenminister Ralf Jäger nach den Hogesa-Krawallen in Köln („erfolgreicher Einsatz“). Auch das demonstrative Ausschenken von Leitungswasser an Staatsgäste während einer Haushaltssperre 2014 bot bundesweit Anlass zu Spott. Und immer wieder kommunikatives Hin und Her bei Themen wie dem freiwilligen Verzicht auf eine Ministergehaltserhöhung vor zwei Jahren, Krafts TV-Boykott gegenüber der AfD oder zuletzt bei Hochwasser-Hilfen des Landes für Privatleute. Bis zur Landtagswahl, wird intern gemahnt, dürften keine Kommunikationspannen hinzukommen.

Netzagentur: Neuer Entwurf zum schnellen Internet

Im Streit um die Vorgaben zum Ausbau des schnellen Internets in Deutschland hat die Bundesnetzagentur der EU-Kommission ihren abgeänderten Entscheidungsentwurf vorgelegt. Die neue Regelung sieht unter anderem für Wettbewerber der Deutschen Telekom mehr Ausbaurechte für die sogenannte Vectoring-Technik vor, heißt es in dem Entwurf der Beschlusskammer. Zusätzlich wurden Anreize zum Ausbau von Glasfaserleitungen gesetzt. Ihren ursprünglichen Entwurf hatte die Aufsichtsbehörde wegen der massiven Kritik von Wettbewerbern und der Bedenken der EU-Kommission Ende vergangener Woche zurückgezogen. afp

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