Gutachter kritisiert Gutachter im NSU-Prozess

München · Bis zum Schluss war ungewiss, ob das Gericht das psychologische Gutachten über Beate Zschäpe kritisieren lassen würde. Aber nun rief der Vorsitzende Richter den von ihren Verteidigern beauftragten Gegengutachter ohne weitere Diskussion auf.

 Beate Zschäpe.

Beate Zschäpe.

Foto: Peter Kneffel/Archiv

Der Gerichtspsychiater Pedro Faustmann hat seinem Kollegen Henning Saß im NSU-Prozess Mängel bei der Begutachtung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe vorgehalten. Saß habe an mehreren Stellen suggestiv formuliert oder Sachverhalte nicht eindeutig zugeordnet, sagte der Bochumer Experte am Donnerstag vor dem Münchner Oberlandesgericht. Saß war vom Gericht bestellt worden, um die Schuldfähigkeit und künftige Gefährlichkeit Zschäpes einzuschätzen. Faustmann hatte seinen Auftrag von deren Verteidigung erhalten.

Einen sachlichen Fehler hielt Faustmann Saß bei dessen Einschätzung vor, Zschäpe neige dazu, eigenes Fehlverhalten herunterzuspielen oder anderen Personen oder Umständen zuzuordnen. Saß hatte dazu angemerkt, hier seien keine objektiv messbaren Befunde möglich. Faustmann meinte dagegen, es gebe in der Psychologie sehr wohl Kriterien, mit denen eine objektive Messung solcher Verhaltensweisen möglich sei.

Saß habe zudem an mehreren Stellen seines Gutachtens nur subjektive Bewertungen geliefert. So habe er bezweifelt, dass sich aus Zschäpes Einlassungen im Prozess "m.E. nicht überzeugend ableiten" lasse, dass sie ihre "inneren Einstellungen und Verhaltensdispositionen" geändert habe. Schon mit der Kennzeichnung "m.E." (für "meine Einschätzung") werde deutlich: "Es wird eine persönliche Einschätzung mitgeteilt."

Saß hatte Zschäpe am 17. Januar volle Schuldfähigkeit bescheinigt. Allerdings hatte sie nie mit ihm gesprochen. Er hatte betont, dennoch über viel Material für sein Gutachten zu verfügen.

Zschäpe hatte fast 14 Jahre mit den NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund gelebt. Während dieser Zeit sollen die beiden Männer zehn Menschen in ganz Deutschland erschossen haben. Neun der Opfer waren türkisch- oder griechischstämmige Gewerbetreibende. Das Motiv dafür war nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft Fremdenhass. Zschäpe ist wegen Mittäterschaft an allen Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" angeklagt.

Das Gericht unterbrach am Mittag die Anhörung Faustmanns und lud den Wissenschaftler erneut für Mitte Mai. Saß, der die Kritik seines Kollegen im Gerichtssaal verfolgte, bekam am Donnerstag noch keine Gelegenheit zur Erwiderung. Kommende Woche soll der Freiburger Psychiater Joachim Bauer als weiterer Gegengutachter aussagen.

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