Ermittlungen zur Kölner Silvesternacht Gutachter: Brisanz hätte auffallen müssen

Düsseldorf · Mit dem Kriminalpsychologen Rudolf Egg wurde der letzte Zeuge im Untersuchungsausschuss zur Kölner Silvesternacht gehört. Dieser legt noch einmal viele Widersprüche dar. Der Landtag beendet nun eine der intensivsten Aufarbeitungen seiner Geschichte.

Als Peter Biesenbach am Montag die letzte von insgesamt 178 Zeugenvernehmungen beendete, entfuhr ihm ein erleichterter Seufzer: „Sie haben es geschafft“, raunte er Richtung Zeugenstuhl, „und wir auch.“ CDU-Mann Biesenbach gilt im Landtag als Experte für Untersuchungsausschüsse. In fünf solcher Gremien hat der 68-Jährige bereits im Laufe seiner politischen Karriere mitgewirkt. Der U-Ausschuss zur Kölner Silvesternacht, den Biesenbach ein Jahr lang leitete, gehörte zu den intensivsten und am meisten beachteten parlamentarischen Aufarbeitungen der Landesgeschichte.

59 Sitzungstage brachten die Abgeordneten hinter sich. Rund 800 elektronische Dateiordner mit Zehntausenden Seiten Beweismaterial wurden durchforstet. Nun wird der voraussichtlich 1000-seitige Abschlussbericht geschrieben, über den im April der Landtag abstimmen muss. Der Wiesbadener Kriminalpsychologe Rudolf Egg brachte am Montag als letzter Zeuge alle Widersprüchlichkeiten der Kölner Silvesterübergriffe wie im Zeitraffer auf den Punkt. Bereits in der Silvesternacht und am Neujahrstag hätten rund 200 Anzeigen vorgelegen, darunter solche von Frauen, die ein in Deutschland völlig neues Kriminalitätsphänomen schilderten: Sie seien von Männergruppen ausländischer Herkunft mit bis zu 50 Personen umzingelt, sexuell begrapscht und ausgeraubt worden. Er könne nicht nachvollziehen, so Egg, warum das nicht sofort erkannt und „nach oben“ gemeldet worden sei.

Der renommierte Kriminalpsychologe hatte als Gutachter für den Untersuchungsausschuss rund 1000 Anzeigen aus der Kölner Silvesternacht ausgewertet. Seine Bilanz zeichnet das Bild eines vollkommen rechtsfreien Raums im Schatten des Kölner Doms. Die Entfesselung der Männerhorde sei offenbar durch die Untätigkeit der Polizei möglich geworden: „Die Gelegenheit war da und die Lust, diesen Platz zu beherrschen und Frauen zu demütigen“, sagte Egg am Montag.

Bislang musste nur der Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers die Konsequenzen des Desasters tragen. Er wurde von Innenminister Ralf Jäger (SPD) entlassen. Albers wurde eine berühmt gewordene Pressemitteilung vom Neujahrstag zu Verhängnis. Sie hatte in Verkehrung der Wirklichkeit von einer entspannten und ruhigen Einsatznacht gekündet. Zudem war der Eindruck entstanden, die Herkunft der weit überwiegend aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum stammenden Tatverdächtigen solle im Namen einer falsch verstanden Willkommenskultur vertuscht werden.

Jäger selbst will das Ausmaß der weltweit beachteten Kölner Silvesterübergriffe erst am 4. Januar erkannt haben. Obwohl ihn erste interne Polizeimeldungen bereits am Neujahrstag erreichten und sich die Sozialen Netzwerke bereits am 2. und 3. Januar mit Schilderungen aus Köln überschlugen. Die Opposition hat beim Landesverfassungsgericht auf Herausgabe von Protokollen der internen Regierungskommunikation geklagt. Eine Entscheidung wird in den nächsten Wochen erwartet. Die strafrechtliche Aufarbeitung der Kölner Silvesternacht geht derweil weiter schleppend voran.

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