Heinrich Vogel "Großmacht im 21. Jahrhundert geht anders"

BONN · "Die Macht Putins ist nicht akut in Gefahr, aber es ist eine Frage der Zeit bis sie es ist", meint Heinrich Vogel. Der Leiter des früheren Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien in Köln sprach am Dienstagabend beim Bad Godesberger "Club La Redoute" über den "Putinismus und Europa".

 Zu Gast in der Redoute: Heinrich Vogel.

Zu Gast in der Redoute: Heinrich Vogel.

Foto: Roland Kohls

Noch sehe man für einen Machtverlust wenig konkrete Anhaltspunkte. Wirtschaftssanktionen bräuchten global betrachtet Zeit: "Steigende Preise auf Lebensmittelmärkten interessieren im Kreml nicht besonders." Aber auf Dauer komme man nicht umhin, sich auf eine Diskussion mit Wirtschaft und Bevölkerung im eigenen Land einzulassen.

Denn das europäische System übe gerade auf den russischen Mittelstand eine große Faszination aus. Europa als Herausforderung für Putin: "Nicht nur die Großstädter und Intellektuellen in Russland spüren, dass Großmacht im 21. Jahrhundert eigentlich anders geht", so Vogel.

Dass Putins Prestige seit 2008 im Sinkflug gewesen war, habe sich aus Regierungssicht schwer beherrschbaren Massendemonstrationen in Moskau geäußert. "Die Olympischen Winterspiele in Sotschi reichten nicht, das Ansehen wiederherzustellen - wohl aber die Annexion der Krim", so Vogel. Eine einzige nationale Großtat habe genügt, den Ruhm im eigenen Land zurückzuerlangen.

Das Geheimnis des "Putinismus" bestehe weniger aus Substanz als aus Propaganda, machte der Experte deutlich. "Aus russischer Sicht sprächt nichts gegen eine Fortsetzung des Imponiergehabes - wäre da nicht Europa", sagte Vogel. Gerade der russische Mittelstand erkenne im europäischen System Rechtsstaatlichkeit, ein besseres Bildungsangebot und ein großes technisches und wissenschaftliches Innovationspotenzial. "Darauf kann Russland nicht ohne Not verzichten."

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