Mona Neubaur im Interview Grünen-Landesvorsitzende über Bauern, Wohnen und ihren Parteitag

Bei ihrem Landesparteitag am Wochenende in Troisdorf wollen die NRW-Grünen ihren Landesvorstand von 20 auf acht Mitglieder verkleinern. Mit der Landesvorsitzenden Mona Neubaur sprachen Bernd Eyermann, Helge Matthiesen, Nils Rüdel und Sandro Schmidt.

 Mona Neubaur beim Interview mit dem General-Anzeiger.

Mona Neubaur beim Interview mit dem General-Anzeiger.

Foto: Benjamin Westhoff

Waren zwölf Vorstandsmitglieder so schlecht, dass man sie nun nicht mehr braucht?

Mona Neubaur: Im Gegenteil. Die Mitglieder des Landesvorstands haben den Prozess, unser schlechtes Ergebnis der Landtagswahl aufzuarbeiten, begonnen und verstetigt. Und sie sind auch nicht davor zurückgeschreckt, unsere Strukturen – und damit auch sich selbst als Gremium – auf den Prüfstand zu stellen. Unser Fazit: Wir wollen einen Vorstand schaffen, der schlagkräftig arbeiten kann und der sich als ein Team versteht, das den Laden zieht.

Künftig werden aber nicht mehr alle Regionen und Experten für Themenfelder eingebunden sein. Hört sich nach Abschied von der Basisdemokratie an?

Neubaur: Ist es aber nicht. Wir wollen künftig zwischen den Vorstandsitzungen noch mehr in den Dialog mit den Regionen und den Landesarbeitsgemeinschaften eintreten. So hören wir noch mehr in die Partei hinein. Jedes Vorstandsmitglied könnte etwa durch Themenpatenschaften unsere programmatische Weiterentwicklung stärken.

Haben Sie als Landesvorsitzende an Rücktritt gedacht?

Neubaur: Mein Gedanke war nicht, die Brocken hinzuwerfen, sondern einen neuen Strukturprozess anzustoßen, Inhalte weiterzuentwickeln und da meine Frau zu stehen. Ich bin viel in den Kreisverbänden gewesen, habe mit der Basis diskutiert, um Vertrauen zurückzugewinnen und bin auch auf viele Akteure außerhalb der grünen Komfortzone zugegangen, zum Beispiel auf die konventionell wirtschaftenden Bauern.

Warum?

Neubaur: Weil wir die Agrarwende nur schaffen werden, wenn sich auch die konventionelle Landwirtschaft verändert. Dafür ist es wichtig, bei den Grünen und den Bauern dafür zu werben, dass wir uns nicht mehr als Gegner sehen. Das war und ist ein ganzes Stück Arbeit.

Ist das Ihr grünes Projekt für diese Wahlperiode?

Neubaur: Es ist eines. Ganz wichtig ist uns auch der soziale Zusammenhalt – etwa beim Thema Wohnen. Viele Menschen sind verunsichert, weil ihre Wohnungen zunehmend zu Spekulationsobjekten werden. Wir brauchen neue Allianzen zwischen Mieterschutzbund, Wohnungswirtschaft und jenen, die Flächen haben.

Was stellen Sie sich vor?

Neubaur: Eine Nachschärfung der Mietpreisbremse, aber auch den Bau von 80 000 neuen Wohnungen pro Jahr. Eine spannende Idee ist, auf eingeschossige Gewerbeflächen mehrgeschossig Wohnungen zu bauen und Gewerbemischgebiete zu entwickeln. So könnten Flächen, die sowieso schon versiegelt sind, auch für Wohnen genutzt werden. Die Landesregierung muss dringend mit dem Bund reden, damit dieser seine Flächen den Städten vergünstigt für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellt.

Haben Sie schon konkrete Ideen für die Nachnutzung des Braunkohletagebaus?

Neubaur: Wir können dort mit einer klugen Mittelstandspolitik neue Wirtschaftszweige entwickeln, zum Beispiel für Ausgründungen aus Hochschulen in Aachen, Köln, Bonn und Düsseldorf Platz und Perspektiven verschaffen. Als Erstes wollen wir von den Menschen vor Ort wissen, was ihre Vorstellungen sind.

Die Grünen haben dort einen schweren Stand, weil man sie mit dem Widerstand gegen die Braunkohle in Verbindung bringt.

Neubaur: Wir streiten für ambitionierten Klimaschutz und den Ausstieg aus der Braunkohle. Daran hat und wird sich auch nichts ändern. Gerade deshalb wollen wir die Region darin unterstützen, dass sie eine neue Perspektive entwickeln kann. Ich sehe uns da in einer Moderatorenrolle.

Sie wollen raus aus der Konfrontation.

Neubaur: Ja. Es geht darum, zwischen allen zu moderieren, die die Klimaschutzziele glaubwürdig erreichen wollen.

Auf der anderen Seite steht die Grüne Jugend, die sagt, die Partei muss aktivistischer werden und mehr gegen den Braunkohletagebau tun.

Neubaur: Ich nehme regelmäßig an friedlichen Demonstrationen am Hambacher Wald teil. Wir müssen sobald wie möglich aus der Braunkohle raus. Das stellen wir nicht zur Disposition. Wer die Klimaschutzziele erreichen will, muss jetzt handeln. Wir versuchen aber Agenten des Wandels zu sein, also die Interessen von Arbeitnehmern, RWE, den Kirchen und den Naturschutzverbänden abzuwägen und zusammenzubringen. Mit Gegeneinander kommen wir nicht weiter. Damit wollen wir auch Vertrauen in Politik wieder herstellen.

Es fällt auf, dass Sie die schwarz-gelbe Landesregierung kaum kritisieren. Gibt es dazu wenig Anlass?

Neubaur: Doch, durchaus. Es wäre genug Geld da, um mehr für den sozialen Wohnungsbau zu tun. Ambitionierter Klimaschutz findet nicht statt, die Kommunen werden in Sachen Dieselfahrverbote im Stich gelassen und der Naturschutz wird weiterhin als Wachstumshemmnis propagiert.

Viele Bürger fordern, dass mehr für die Sicherheit getan wird.

Neubaur: Die Verunsicherung in der Gesellschaft mit Änderungen im Polizeigesetz zu beantworten, ist der falsche Weg. Richtiger wäre, die Polizei gut auszustatten und eine Vertrauensbasis zu den Bürgern zu bewahren.

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