Landesparteitag der NRW-SPD Geschlossenheit als Genossenpflicht

Bochum · Die nordrhein-westfälische SPD schart sich um Hannelore Kraft. Die Ministerpräsidentin wird in Bochum mit einem Traumergebnis von 98,45 Prozent als Landesvorsitzende wiedergewählt. Im nächsten Mai soll sie die Partei in die Landtagswahl führen.

 Traumergebnis: SPD-Chefin Hannelore Kraft auf dem Parteitag.

Traumergebnis: SPD-Chefin Hannelore Kraft auf dem Parteitag.

Foto: dpa

Für das Parteitagsmotto im Bochumer „Ruhrcongress“ hatten die SPD-Werbestrategen eine Anleihe beim bekanntesten Bürger der Stadt genommen. „NRW bleibt neu“, prangte in riesigen Lettern an der Hallenwand. Das erinnerte an den fast 20 Jahre alten Albumstitel „Bleibt alles anders“ von Herbert Grönemeyer. Richtiger hätte es jedoch heißen müssen: „NRW-SPD bleibt Hannelore“.

Der mitgliederstärkste Landesverband der deutschen Sozialdemokratie bestätigte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft am Samstag mit einem Traumergebnis von 98,45 Prozent als Landesvorsitzende. Kraft steht danach im roten Blazer am Mikrofon und wischt sich Tränen der Rührung von den Wangen. „Nach fast zehn Jahren so ein Ergebnis, das haut mich echt um“, ruft sie. Vor zwei Jahren holte sie 95,18 Prozent. 2007 ging hier in Bochum mit der ersten Wahl zur Landesparteivorsitzenden ihr Stern auf.

Die 55-Jährige grüßt nach dem Triumph vor 500 Delegierten ungewöhnlicherweise ihre „Mama“ mit brüchiger Stimme: „Schade, dass Du nicht dabei sein kannst.“ Was hinter diesem emotionalen Ausbruch steckt, wollen ihre Berater später nicht sagen: „Privatsache.“ Es ist auch fast egal, für die NRW-SPD gehören solche Andeutungen acht Monate vor der Landtagswahl zum immer noch erfolgversprechendsten „Gesamtpaket Kraft“: Die Person als Programm, mehr Gefühl als Politik, demonstrative Distanz zu den üblichen Gesten und Ritualen der Mächtigen.

Krafts Regierungsarbeit wird seit Monaten kritisch beurteilt. Das durchweg schwache Abschneiden Nordrhein-Westfalens in Bildungs-, Wirtschafts- und Sozialvergleichen setzt der rot-grünen Koalition nach fast sieben Amtsjahren erkennbar zu. Krafts Parteitagsrede klingt deshalb über weite Strecken wie eine Rechtfertigungsrede.

„Wir haben schon viel geschafft, es gibt noch viel zu tun“, lautet ihr Credo. Sie wähnt sich auf einem guten Weg zu einem „liebens- und lebenswerten Nordrhein-Westfalen“. Mehr Kita-Plätze, höhere Bildungsausgaben, mehr Digitalisierung, Unternehmensgründungen und Polizei – die Regierungschefin ist mit sich zufrieden. Bezeugt sieht sie Erfolge durch persönliche Begegnungen: „Wenn man im Land unterwegs ist, spürt man so viel Positives.“

Programmatisch gibt es für die Zeit nach 2017 wenig Konkretes. Der Parteitag verabschiedet erwartungsgemäß das neue Zwei-Säulen-Modell zum „Turbo-Abitur“, das an Gymnasien künftig bei einer wieder auf sechs Jahre verlängerten Sekundarstufe I die Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 schaffen soll. Kraft macht sich außerdem die Forderung der Jusos nach einem „Azubi-Ticket“ für Bus und Bahn zu eigen. Auch haucht sie dem SPD-Evergreen der vollständigen Beitragsfreiheit in Kindergärten neues Leben ein, obschon dafür Koalitionspartner und Hunderte Millionen Euro Steuergeld fehlen.

Ansonsten: Allgemeine Appelle an den sozialen Zusammenhalt („Wir wollen mehr Gerechtigkeit wagen“) und die Mitmenschlichkeit („Wir sehen nicht die Flüchtlinge, sondern den Menschen – auch mit dem Herzen“).

Nach den jüngsten koalitionsinternen Zwistigkeiten lässt ein Bekenntnis zum Regierungspartner aufhorchen: „Wir kämpfen allein, aber wenn es geht, machen wir mit den Grünen weiter.“ Wichtiger erscheint jedoch das Ziel, 2017 die Position als stärkste Fraktion im Landtag zu retten. Geschlossenheit ist dafür oberste Genossenpflicht.

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