Fünfmonatige Haushaltssperre Finanzexperte kritisiert "Haushaltskosmetik"

DÜSSELDORF · Die fünfmonatige Haushaltssperre in NRW war aus Sicht des FDP-Finanzexperten Ralf Witzel ein "Schlag ins Wasser". Investitionen in Gebäude, Straßen und Ausstattungen seien oft nur ins nächste Jahr verschoben worden.

 Im Sommer spendete die CDU der sparsamen Landesregierung Mineralwasser, damit Gäste nicht nur Leitungswasser trinken mussten.

Im Sommer spendete die CDU der sparsamen Landesregierung Mineralwasser, damit Gäste nicht nur Leitungswasser trinken mussten.

Foto: dpa

Gleichzeitig seien viele Ausnahmen für konsumtive Ausgaben bewilligt worden, kritisierte Witzel "die durchlöcherte Haushaltssperre". In der unserer Zeitung vorliegenden Antwort auf eine FDP-Anfrage hatte Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) erklärt, dass von 301 beantragten Ausnahmen der Ministerien "151 zumindest teilweise zur Aufgabenerledigung bewilligt" wurden. Ende November war die Haushaltssperre in NRW aufgehoben worden.

Während der Finanzminister darauf pocht, dass er "sein Mindestziel von Einsparungen über 100 Millionen Euro" erreicht habe, bezweifelt Witzel die Höhe des Einsparvolumens. Aufgrund politischer Widerstände habe Walter-Borjans die Beförderungssperre bereits nach einem Monat aufgehoben. Auch einen Monat nach Ende der Haushaltssperre könne der Minister die genauen finanziellen Einbußen für jedes Ministerium nicht beziffern, sagte Witzel. Walter-Borjans begründete die flexible Handhabung der Ausnahmen damit, dass die Aufgabenerfüllung des Landes - wenn auch eingeschränkt - sichergestellt werden musste.

Und Walter-Borjans nannte Beispiele für Ausnahmen von der Haushaltssperre.

  • Die Repräsentationsmittel für Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) wurden nur halbiert. Der Empfang zum Beethovenfest (10 000 Euro), das Adventskonzert (50 000) und der Empfang zur Deutschen Einheit (40 000) wurden ebenso bezahlt wie die NRW-Beteiligung am Tag der deutschen Einheit in Hannover (72 000). Auch die Auftaktveranstaltung zur Zukunft des Braunkohlereviers (9000) wurde bewilligt.
  • Das Programm "Kurve kriegen" zur Kriminalitätsvorbeugung für Jugendliche (1,85 Mio.) wurde ebenso finanziert wie die Mittagsverpflegung "Alle Kinder essen mit" (224 000).
  • Bei Personaleinstellungen gab Walter-Borjans grünes Licht für 1500 Polizeianwärter, 190 Justizvollzugskräfte, 80 Richter, 20 Ingenieure und Personal für Freigangsmaßnahmen der forensischen Psychiatrie - alles zusammen 9,8 Millionen Euro.
  • Für Übungsleiter (5,8 Mio.), die Prüfungsabnahme für Gesundheitsberufe und Rettungssanitäter (900 000) und die Sprachstandsfeststellung (1 Mio.) gab es weiter Geld.
  • Auch die Sanierung des Kölner Doms (385 000), Felssicherung am Siegfriedfelsen Königswinter (700 000) und die Ertüchtigung Reichsabtei Kornelimünster (383 000) wurden trotz Haushaltssperre finanziert.
  • Für die Inanspruchnahme von Bürgschaften (10 Mio.), Software "Konsens" (673 000) und die Anschaffung von Computern beim Lohnbüro LBV bewilligte das Land 150 000 Euro.

Witzel sah in der Haushaltssperre deshalb mehr "Haushaltskosmetik als eine echte Ersparnis", da viele Rechnungen nun in der Zukunft anfallen würden. "SPD und Grüne müssen endlich mit tatsächlichen strukturellen Einsparungen beginnen und dafür auf zu viel Umverteilung sowie Wahlgeschenke auf Pump verzichten", sagte Witzel.

Finanzminister Walter-Borjans wies die Kritik zurück und ging weiter davon aus, "dass die haushaltswirtschaftliche Sperre einen nennenswerten Beitrag zur Eindämmung der Ausgaben geleistet hat". Leitlinien für die Erteilung von Ausnahmen waren die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Gefahrenabwehr, der Vertrauensschutz, die Vermeidung besonderer Härten und das übergeordnete Landesinteresse.

Trotz der vielen auf 2015 verschobenen Rechnungen will NRW nächstes Jahr seine Neuverschuldung um 300 Millionen Euro auf 1,9 Milliarden Euro senken. Gründe für die geringere Neuverschuldung sind die erhöhte Grunderwerbssteuer sowie weiter steigende Einnahmen bei der Umsatzsteuer. Allein durch die geplante Erhöhung der Grunderwerbssteuer von fünf auf 6,5 Prozent erwartet das Land jährliche Mehreinnahmen von 400 Millionen Euro. Die Mehreinnahmen bei der Umsatzsteuer werden auf über hundert Millionen Euro geschätzt.

Gleichzeitig schlagen laut Finanzministerium 2015 jedoch auch höhere oder neue Ausgaben zu Buche: Unter anderem will das Land 91 Millionen Euro zusätzlich für Flüchtlinge aufbringen, auch für die Schulsozialarbeit werden Mehrausgaben in Höhe von knapp 48 Millionen Euro veranschlagt.

Im laufenden Jahr hat das Land bis Ende November rund 40,3 Milliarden Euro an Steuern eingenommen. Das sind 1,5 Milliarden Euro mehr als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres. Der Anstieg der Steuereinnahmen liegt mit 3,7 Prozent damit deutlich über dem von Walter-Borjans für das gesamte Jahr erwarteten Zuwachs von 2,5 Prozent. (ga/dpa)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort