Peter Müller in Königswinter Ein Karlsruher Richter gibt Blüm Kontra

KÖNIGSWINTER · Peter Müller war 21 Jahre lang Politiker in herausgehobenen Positionen: als Landtagsabgeordneter, CDU-Vize im Bund, zwölf Jahre als Ministerpräsident im Saarland. Seit drei Jahren ist Müller nun Bundesverfassungsrichter. Am Montag sprach er vor 150 Besuchern im Arbeitnehmer-Zentrum Königswinter in der Reihe "Politik am Mittag".

Dabei betonte der 59-Jährige, dass die Karlsruher Richter keinen politischen Gestaltungswillen hätten. "Wir haben nur einen Rahmen und das ist das Grundgesetz", sagte Müller, "alles andere hat uns nicht zu interessieren." Anders als etwa in Großbritannien und Frankreich hätten die Verfassungsrichter hierzulande weitgehende Kompetenzen und könnten Regierung und Parlament sehr unangenehm werden.

Müller berichtete von einem Gespräch zwischen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, in dem der frühere französische Präsident seine Ideen zur Schuldenverteilung in Europa ausbreitete. Auf Merkels Einwand, dass das Bundesverfassungsgericht etwas dagegen haben dürfte, antwortete Sarkozy laut Müller: "Angela, dann schaff es ab." Der Schluss des Karlsruher Richters: "Im Bundesverfassungsgericht kommt in besonderem Maße das Bekenntnis der Bundesrepublik zur Rechtsstaatlichkeit zum Ausdruck."

75 Minuten lang referierte Müller, beantwortete Fragen und gab Einblicke in die Arbeit eines Verfassungsrichters ("Im Jahr werden wir 10 000 Mal von Bürgern angerufen"), doch hitzig wurde es, als Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm aufstand, von seinen Erfahrungen mit dem Rechtsstaat berichtete und von Müller Kontra bekam.

Dass Richter unantastbar seien und sich als unfehlbar betrachteten, "das ist falsch", so Müller. Jeder Richter wisse, dass er Fehler mache und ungerechte Entscheidungen treffe. "Mein tägliches Geschäft als Verfassungsrichter ist es, Fehler von Gerichten herauszufinden." Müller verwies auf zahlreiche erfolgreiche Berufungsverfahren.

Es hätte durchaus Richter gegeben, die zurückgetreten wären, antwortete Müller auf Blüm, doch es gebe "keinen Beruf, in dem es so schwierig ist, jemanden aus dem Amt zu entfernen". Das aber sei korrekt so, weil es sich bei Richtern um starke und unabhängige Persönlichkeiten handeln solle.

Deals im Rechtswesen seien durchaus schwierig, gab Müller zu, doch oft stoße die Justiz bei komplexen Sachverhalten an die Grenzen des Leistbaren. "Soll der Staat deswegen anderes liegenlassen?", fragte er.

Energisch wies Müller Vorwürfe Blüms im Blick auf Gutachter zurück. "Den Richtern zu unterstellen, unqualifizierte Leute zu berufen, ist eine Diffamierung der Richter. Er zweifelte an, dass 50 Prozent der Gutachten vor Familiengerichten fehlerhaft seien.

Sicher, so räumte Müller ein, es gebe Missstände, Fehler und Probleme, "doch alles in allem ist der deutsche Rechtsstaat ein Rechtsstaat, der sich nicht verstecken muss". Norbert Blüm hätte gern noch einmal geantwortet, doch inzwischen war es schon Nachmittag geworden, und der Vorsitzende der Stiftung Christlich-Soziale Politik, Werner Schreiber, beendete die 100 Minuten "Politik am Mittag".

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