Interview: DW-Intendant Peter Limbourg "Die Welle bleibt im Kern deutsch"

BONN · Drei Tage lang wird ist Stadt Bonn Gastgeberin des achten Medienkongresses der Deutschen Welle im Plenarsaal. Neben Debatten zum Thema "Medien und Außenpolitik im digitalen Zeitalter" steht der Startschuss für den englischen Sender der Welle an.

 Freut sich auf Klitschko & Co.: Gastgeber des Forums, Deutsche-Welle-Intendant Peter Limbourg.

Freut sich auf Klitschko & Co.: Gastgeber des Forums, Deutsche-Welle-Intendant Peter Limbourg.

Foto: Barbara Frommann

Am kommenden Montag startet im Bonner Plenarsaal das achte Global Media Forum der Deutschen Welle (DW). Drei Tage lang debattieren mehr als 2000 Experten aus aller Welt im Plenum und in zahlreichen Workshops, insbesondere über die "Medien und Außenpolitik im digitalen Zeitalter", so das Motto der Tagung. Ebenfalls am Montag drücken Staatsministerin Monika Grütters und DW-Intendant Peter Limbourg den symbolischen Startknopf für das kontrovers diskutierte englischsprachige Fernsehprogramm der Deutschen Welle. Stoff genug für ein Gespräch mit dem Intendanten des Auslandssenders.

Das Global Media Forum steht unter dem Motto "Medien und Außenpolitik im digitalen Zeitalter". Ihre persönliche Einschätzung: Wo sind die Chancen, wo liegen die Risiken?

Peter Limbourg: Das digitale Zeitalter bietet enorme Chancen für die Vermittlung von Wissen, für die Erhöhung von Transparenz im guten Sinne. Es ist aber auch, wie wir täglich in den Nachrichten feststellen müssen, eine große Gefahr, sei es durch Datenlecks, durch Spionage aller Art, aber auch durch Propaganda - durch all dies ist unsere Öffentlichkeit herausgefordert. Ich bin jemand, der die Risiken immer im Auge hat, aber ich appelliere immer dazu, die Chancen nicht aus den Augen zu verlieren.

Rechnen Sie mit politisch kontroversen Debatten?

Limbourg: Beim Diplomatie-Panel mit Vitali Klitschko wird es sicherlich Auseinandersetzungen geben.

Das angesprochene Themenfeld haben Sie mit "Außenpolitik in 140 Zeichen - Durch neue Medien zu neuer Diplomatie?" überschrieben. Können die auf knappe Botschaften und spontane Meinungsäußerungen abonnierten sozialen Medien wirklich helfen, die komplexe Welt zu verstehen? Oder machen sie nur Stimmung?

Limbourg: Es geht nicht nur um die Frage, ob man mit Social Media Politik machen kann. Das funktioniert im Guten wie im Schlechten. Es geht um das wachsende Tempo der Information, das die politischen und medialen Akteure belastet. Sie sind mitunter Getriebene der Social Media, sehen sich Instrumenten der Manipulation und Verleumdung ausgesetzt.

Der IS beherrscht alle Medien- und Inszenierungstricks. Er spricht insbesondere junge Menschen an. Wie kann man ihm begegnen?

Limbourg: Wir sehen uns nicht als Agentur für Gegenpropaganda, die Deutsche Welle ist seit über 60 Jahren mit seriösem Journalismus, mit Aufklärung unterwegs. Und sie ist unabhängig. Die anderen Positionen müssen auch immer zu Wort kommen.

Wie geht das konkret? Gehen Sie in die Foren und gegen den IS?

Limbourg: Wir gehen als Deutsche Welle nicht in irgendwelche Terrorforen, wir sind gehalten, uns möglichst weit im arabischen Raum zu präsentieren, hohe Reichweiten zu erzielen. Wir versuchen junge Menschen anzusprechen. Wir haben großen Erfolg mit unserer Talkshow "Shabab Talk", die für großes Medienecho sorgt und Kontroversen auslöst. Wir bringen so unsere westlichen Werte unter die Leute. Wir nutzen auch die sozialen Medien als Plattform. Unser "Shabab Talk" ist von der Arabian Broadcasting Union zur besten Talk-Show gewählt worden.

Was ist bei "Shabab Talk" zu sehen?

Limbourg: Ein junger Moderator versucht, junge Menschen im Nahen Osten und Europa auf Arabisch über Skype, per Schalte oder im Studio zusammenzubringen. Da prallen Meinungen aufeinander, es wird emotional, es geht um Homosexualität in der arabischen Welt, Sex vor der Ehe. Das sind Themen, die sonst in der Region tabuisiert werden.

Ein interessantes Themenfeld auf dem Global Media Forum beleuchtet das Verhältnis von Außenpolitik und Krisenberichterstattung. Und das in Zeiten, in denen die Zahl der Auslandskorrespondenten großer Zeitungen und Sender eher abnimmt, die Flut schwer verifizierbarer Postings zunimmt. Sehen Sie darin eine Gefahr für eine erfolgreiche Politik?

Limbourg: Die Basis der Politik sind nicht nur Medienberichte. Aber für die Akzeptanz der Politik sind unabhängige Medien wichtig. Der Rückgang von Auslandskorrespondenten und Büros hat sicherlich materielle Gründe, aber die stark gewachsene real existierende Gefahr für Journalisten im Ausland spielt auch eine Rolle. Das wird bei unserem Kongress ein Thema sein. Die Deutsche Welle versucht, ein bisschen gegenzusteuern, indem sie mehr Journalisten in die Welt hinausschickt. Wir haben gerade ein Büro in Kiew eröffnet, eines in Lagos.

Wird man Ihr Angebot auch in Deutschland wahrnehmen?

Limbourg: Ich verweise auf unsere brandneue App. Da sind wir in unseren 30 Sprachen und auf Deutsch unterwegs.

Sie haben etliche Prominente zum Forum eingeladen. Auf wen freuen Sie sich besonders?

Limbourg: Ich freue mich auf die Staatsministerin Monika Grütters, die mit mir zusammen unseren neuen englischen Kanal starten wird. Besonders freue ich mich auch auf Vitali Klitschko, den Bürgermeister von Kiew, der auch unser Studio Kiew eröffnet hat. Wir sind das einzige deutsche Medium, das dort ein festes Büro hat.

Ein Star wird nicht kommen können: Der saudische Blogger Raif Badawi, der den "Deutsche Welle Freedom of Speach Award" erhält, verurteilt zu zehn Jahren Gefängnis, 1000 Peitschenhieben und einer Geldstrafe von 240 000 Euro, sitzt in Haft. Haben Sie Reaktionen auf diese Initiative bekommen?

Limbourg: Wir haben bisher viel Zuspruch bekommen. Es gab ein großes Medienecho.

Welche weiteren Möglichkeiten sehen Sie, um derlei Menschenrechtsverletzungen zu begegnen?

Limbourg: Man muss an solchen Fällen dranbleiben und darüber berichten. Wir sind keine Aktivisten für oder gegen etwas, sondern Menschen, die informieren. Dieser Mann hat offensichtlich nichts getan, nur seine Meinung geäußert.

Der Preis heißt "Freedom of Speach Award", die Tagung "Global Media Forum", das Programm ist auf Englisch, die Kongresssprache ebenso, am Montag startet die Deutsche Welle ihr englisches Programm. Wie deutsch ist die Welle noch?

Limbourg: Die Deutsche Welle bleibt im Kern deutsch, weil wir deutsche Inhalte und Sichtweisen transportieren. Und wir haben einen Stamm von deutschen Mitarbeitern, die auf Dauer eine große Zukunft vor sich haben. Die überwältigende Mehrheit unserer Nutzer, weit über 90 Prozent, nimmt die DW in den jeweiligen Fremdsprachen wahr. Da müssen wir handeln.

Wo bleibt das deutsche Programm?

Limbourg: Wir senden natürlich weiter auf Deutsch. Nur weil wir unser englisches Angebot verstärken, heißt das nicht, dass wir andere Sprachen abschalten. Nach wie vor verbreiten wir deutsche Kultur auch auf Deutsch. Wir werden in nächster Zeit einen neuen Satelliten über Osteuropa anmieten, auf dem wir den deutschen Fernsehkanal anbieten

Ist das die Antwort auf die doch heftige Kritik, die Deutsche Welle würde sich zu sehr auf ihr englisches Programm konzentrieren?

Limbourg: Wir haben nie gesagt, dass wir das eine gegen das andere ausspielen wollen. Wir haben nur gesagt, dass wir uns im Englischen deutlich verbessern müssen. Das tun wir jetzt. Der Start des neuen englischen Programms ist ein Meilenstein. Das geht nicht auf Kosten anderer Programme.

Zur Person

Der Diplomatensohn Peter Limbourg wurde 1960 in Bonn geboren, wuchs in Rom, Paris, Athen und Brüssel auf, studierte in seiner Heimatstadt Rechtswissenschaften. Limbourg wurde Korrespondent der Deutsche Fernsehnachrichten Agentur, wechselte 1996 zum Privatsender ProSieben, dessen Studioleiter in Bonn er wurde. Weitere Stationen waren der Nachrichtensender N24 und Sat.1. Schließlich arbeitete er als Informationsdirektor der Gruppe ProSiebenSat.1. Im Oktober 2013 trat Limbourg die Nachfolge des Deutsche-Welle-Intendanten Erik Bettermann an.

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