NRW-FDP-Vorsitzender Der dreifache Lindner

SIEGBURG · Christian Lindner war fast am Ende seiner 55-minütigen Rede angekommen, als er die Geschlossenheit der FDP beschwor. "Wir haben einen neuen Teamgeist", begann er seinen Satz und zählte dann auf, "im geschäftsführenden Landesvorstand, im Bundespräsidium und in unserer Landtagsfraktion".

 Neue Töne in Sachen Klimaschutz und Energie: Christian Lindner am Samstag in Siegburg.

Neue Töne in Sachen Klimaschutz und Energie: Christian Lindner am Samstag in Siegburg.

Foto: dpa

Hinterher meinte so mancher, das sei auch nicht verwunderlich, denn Lindner selbst sei ja Vorsitzender der NRW-FDP, Bundesparteichef und dazu Vorsitzender der Landtagsfraktion. Die Chefs dieser drei Gremien seien sich per se schon mal einig.

Wie inzwischen bei Landesparteitagen üblich, nutzte Lindner auch am Samstag in Siegburg seine Rede, um bundespolitisch Akzente zu setzen. Er kritisierte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) für dessen Klimaschutz-Pläne. Die würden die Wirtschaft zusätzlich belasten, ohne einen ökologischen Beitrag zu leisten. "Wir brauchen eine Klimaschutzpolitik der Rationalität." Und das bedeute: nur noch die Eins-zu-eins-Umsetzung von EU-Vorgaben. Während die EU eine Reduzierung der Emissionen von 40 Prozent bis zum Jahr 2030 erreichen wolle, habe die Bundesregierung das Ziel, diesen Wert bereits bis 2020 zu erreichen. "Das ist überambitioniert und schwächt den Industriestandort Deutschland."

Neue Töne gab es von Lindner auch in Sachen Griechenland. Niemand könne sich wünschen, dass das Land die Eurozone verlasse, aber sollte die Regierung in Athen nicht auf den Reformpfad zurückkehren, werde Griechenland auch keine Zukunft mehr im Euro haben. "Die Eurozone wird nicht geschwächt, wenn ein unsolides Land sie verlässt, sondern die Eurozone und die Autorität des Rechts würden gestärkt." Diese Position hatte Landtagsvizepräsident Gerhard Papke in der vorigen Woche schon in dieser Zeitung bezogen.

Apropos Papke: Der frühere Landtagsfraktionschef war der einzige, der die Versammlungsleitung bei dem offenkundigen Versuch störte, einen weitgehend harmonischen Parteitag abzuhalten. In der Aussprache zu Lindners Rede, in der sich die Delegierten zu allen Themen zu Wort melden konnten, übte Papke scharfe Kritik am Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts. Er finde es nicht richtig, dass Frauen mit Kopftuch unterrichten dürften. "Ich möchte nicht, dass kleine muslimische Mädchen in staatlichen deutschen Schulen mit dem überkommenen Rollenbild von zu Hause konfrontiert werden", sagte Papke.

Er wollte seine Forderung noch begründen, doch da war seine dreiminütige Redezeit schon zu Ende. Und eine Verlängerung gab es nicht. Verärgert setzte er sich wieder auf seinen Platz in den Reihen der Delegierten.

Ob Papkes Thesen dem liberalen Mainstream zu rechtslastig sind? In den eher ländlich geprägten drei Bezirksverbänden, die ihn zu ihren Versammlungen eingeladen hatten, hat er offenbar zuletzt viel Zuspruch bekommen, hieß es.

Und die Landespolitik? Natürlich bekam auch die rot-grüne Landesregierung ihr Fett weg - vor allem wegen der Weigerung von Schulministerin Sylvia Löhrmann, den Unterrichtsausfall zu erheben. Lindner: "Wenn die Politik den Mittelstand und das Handwerk zwingt, bald mit bewaffneten Beamten vom Zoll, jede Arbeitsstunde aufzuschreiben, damit man kontrollieren kann, ob Mindestlohn gezahlt wird, dann ist es nicht zu viel verlangt von der Politik die Unterrichtsstatistik zu führen." Die Politik verzettele sich in Symbol- und PR-Maßnahmen wie dem Blitzermarathon, die entscheidenden Probleme wie etwa ein vernünftiger Einbruchschutz würden ignoriert, beklagte Lindner.

Am frühen Nachmittag dann ein völlig ungewöhnliches Bild für einen Parteitag: eine leere Halle. Die Delegierten strömten in sechs Ideenlabore: So ging es im Siegburger Rathaus um Europa, in der Stadtbibliothek um Deutschland als Einwanderungsland und im Keller der Rhein-Sieg-Halle um Freiheit und Menschenrechte weltweit. "Ich fand es gut, dass wir auf einem Parteitag mal in kleinerer Runde programmatisch arbeiten konnten", sagte der 22-jährige Alexander Steffen, "es war schön, den Politikern mal etwas auf den Weg mitgeben zu können, das war ja fast schon basisdemokratisch." Dafür ist die FDP ja bislang eher nicht bekannt gewesen.

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