Rainer Maria Woelki Dem Kölner Erzbistum gehen die Priester aus

Bonn · Zu wenig geistlicher Nachwuchs: Mehrere Seelsorgebereiche sind ohne leitende Pfarrer. Rainer Maria Kardinal Woelki sieht die Kirche in der Krise.

 Der Kölner Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki

Der Kölner Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki

Foto: picture alliance / dpa

Es kommt nicht oft vor, dass der Kölner Erzbischof seinen Priestern, Diakonen, Gemeinde- und Pastoralreferenten einen Brief schreibt. Zu Weihnachten, zu Ostern, manchmal auch zu außergewöhnlichen Ereignissen ist das der Fall. In diesen Tagen hat Rainer Maria Kardinal Woelki wieder einmal einen Brief verfasst. Und der hat es in sich.

Denn Woelki führt seinen „lieben Mitbrüdern und lieben Schwestern und Brüdern im Pastoralen Dienst“ schonungslos vor Augen, dass die Kölner Kirche in großen Schwierigkeiten steckt. Denn dem Kardinal und seinen Mitarbeitern im Generalvikariat ist es in den vergangenen Monaten aufgrund des Priestermangels nicht mehr gelungen, für jeden Seelsorgebereich einen leitenden Pfarrer zu berufen. Konkret: Für die 180 Seelsorgebereiche gibt es nur noch 168 leitende Pfarrer. Das bedeutet: Pfarrer müssen mehrere Seelsorgebereiche übernehmen – was zu noch größeren Gebieten für die Priester führt.

Rückblende: Als das Erzbistum vor neun Jahren sein Konzept mit besagten 180 Seelsorgebereichen vorstellte, war die Nominierung eines leitenden Pfarrers der wichtigste Bestandteil. War es früher so, dass ein Pfarrer eine, höchstens zwei Gemeinden führte, so sollte nun der leitende Pfarrer für weitaus mehr Pfarreien, die unter dem Dach der Seelsorgebereiche versammelt wurden, die Führungsaufgabe übernehmen. Seine Aufgaben: die Kirchenvorstände führen und wichtige Verwaltungsentscheidungen treffen, aber auch geistliche Impulse setzen und die jeweiligen Pastoralteams führen.

In denen arbeiten auch Pfarrvikare und Kapläne mit, also Priester ohne Leitungsfunktionen. Doch auch davon gibt es immer weniger. 2009 zählte die Kölner Kirche noch 400 Priester unterhalb der leitenden Pfarrer, wie der damalige Generalvikar Dominik Schwaderlapp seinerzeit in einem GA-Interview sagte. Derzeit sind es laut Erzbistum nur noch 273.

Dass in den Seelsorgebereichen derzeit vieles im Argen liegt, gibt Woelki zu. Gerade sie „leiden schwer unter einer reduzierten Personaldecke – bis hin zum leitenden Pfarrer“, schreibt er. Dass er nun leitende Pfarrer für zwei oder mehr Seelsorgebereiche ernannt habe, sei „Ausdruck der Krise, in der wir uns befinden“. Fast schon trotzig fügt der Kardinal hinzu: „Wir wollen und müssen die Pastoral in allen Seelsorgebereichen lebendig erhalten. Dazu braucht es den leitenden Pfarrer.“

Weil es davon aber immer weniger gibt, fordert Woelki die Pastoralteams auf, mehr Aufgaben in den größeren Einheiten zu übernehmen. Schön und gut, findet ein Gemeindereferent, der den Brief gelesen hat, aber „wir alle wollen doch, dass es überschaubar bleibt“. Woelki kennt offenbar das Problem. Ihm sei wichtig, dass die Leitung mehrerer Seelsorgebereiche durch einen Pfarrer „nicht zu einer Zentralisierung führt, sondern zur Stärkung der Lebendigkeit der Gemeinden und Kirchorte“.

Andererseits könne es nicht um „Verdoppelung oder Vervierfachung von Arbeitsfeldern oder Aufgaben gehen, sondern um die konkreten Gestaltungsmöglichkeiten von Pastoral“. Und er wünscht sich von seinen Mitarbeitern vor Ort auf dem von ihm sogenannten pastoralen Zukunftsweg „einen sorgsamen Umgang mit den eigenen Ressourcen und Charismen“. Schließlich hatten in den vergangenen Jahren immer wieder Pfarrer, aber auch Laien in den Seelsorgeteams darüber geklagt, dass sie sich wegen der Fülle der Aufgaben überfordert fühlten. Manch ein Pfarrer, der zuvor Leitungsaufgaben hatte, zog es vor, diese aufzugeben und als Pfarrvikar, also als einfacher Priester, seinen Dienst in einer Gemeinde zu tun.

Umso dankbarer zeigt sich Woelki in seinem Brief, dass sich Pfarrer bereit erklärt hätten, mehrere Seelsorgebereiche zu übernehmen – zum Beispiel Christoph Bersch in Oberberg-Mitte und Engelskirchen, Michael Tillmann in den Bereichen Hürther Ville, Am Maiglersee und Efferen/Hermülheim sowie Hermann Josef Zeyen in Troisdorf.

Auch wenn künftig weitere Pfarrer für mehrere Seelsorgebereiche zuständig sein würden, eine Strukturveränderung sei damit nicht verbunden, teilte das Erzbistum auf Anfrage mit. „Das Konzept der Seelsorgebereiche ist weiter gültig“, fügte ein Sprecher Woelkis hinzu. Entlastung für die leitenden Pfarrer erhofft sich der Kardinal auch dadurch, dass künftig in jedem Seelsorgebereich ein Verwaltungsleiter eingestellt würde. Das Erzbistum könne nur nicht alle gleichzeitig bedienen, baut Woelki in seinem Brief schon einmal vor.

Die Priester, Diakone, Gemeinde- und Pastoralreferenten wolle er einladen, „sich von Gott neu rufen und berufen zu lassen in die heutige Lebensrealität der Menschen und unserer Kirche“, schreibt Woelki. Sein Appell: „Wenn wir nicht aktiv handeln, werden sich die großen Trends der Veränderung 'ohne uns' fortsetzen und verstärken – auch in der Kirche.“ Für sein Personal in den Gemeinden dürfte das trotz der Aufforderung zur Ressourcenschonung einiges an Mehrarbeit bedeuten.

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