Joachim Gauck in Bonn Bei Vertretern des hellen Deutschlands

Bonn · Der Bundespräsident lädt junge Menschen zu einer Diskussion in die Villa Hammerschmidt ein und besucht das Technische Hilfswerk sowie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

 Rettungsübung: Bundespräsident Joachim Gauck lässt Arno Gaus mit einem Einsatzgerüstsystem nach unten. Mitte: Der Bonner THW-Leiter Axel Müller-Storp.

Rettungsübung: Bundespräsident Joachim Gauck lässt Arno Gaus mit einem Einsatzgerüstsystem nach unten. Mitte: Der Bonner THW-Leiter Axel Müller-Storp.

Foto: Barbara Frommann

Da kommt der Bundespräsident. Natalia, Johann, Lukas, Marlon, Svenja, Daniel und Ramona haben sich in einer Reihe aufgestellt - manche tippeln hin und her. Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt bleiben stehen. Die Kinder erzählen, sie hätten gelernt, wie wichtig Wasser ist und dass auch Konserven und eine Taschenlampe in einen Notvorrat gehören. "Das war aufregend", sagt die elfjährige Natalia.

Die sieben Kinder gehörten im vorigen Schuljahr zur 4d der Nikolausschule in Köln-Zollstock und waren bei einer Rallye im Odysseum unter 23 Klassen die besten. Mitgebracht haben sie Gauck und Schadt einen Notfallrucksack. "Damit Ihnen nichts passieren kann, wenn Sie mal in einen Notfall geraten", sagt ein Kind. Das Wasser darin könnte der Bundespräsident gut gebrauchen. 32 Grad zeigt das Thermometer in Bonn-Lengsdorf, als er sich im Hof des Gebäudevierecks, in dem Technisches Hilfswerk (THW) und Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) untergebracht sind, über die Arbeit der Organisationen informiert.

Bundespräsident trifft sich mit politikinteressierten jungen Leuten

Am Sonntagabend sind Gauck und Schadt in Bonn angekommen. Bis Mittwoch nimmt das Staatsoberhaupt seine Amtsgeschäfte von seinem zweiten Dienstsitz in der Villa Hammerschmidt aus wahr. Am Dienstag zum Beispiel sieht er sich eine Ausstellung in Düsseldorf an und ist am Abend Gastgeber eines Beethoven-Abends. Sicher hat er auch Zeit für einen Spaziergang am Rhein, den er doch genau so schätzt wie einen Gang durch das Brandenburger Tor, wie er jüngst dem General-Anzeiger verriet.

Am Dienstagmorgen aber geht es nicht an den Rhein, sondern ins Kaminzimmer zu zwei Dutzend jungen Leuten. "Es geht weniger darum, dass ich rede, sondern dass ich mich ins Bild setze durch junge Menschen, die sich für Politik interessieren", sagt Gauck.

Joachim Gauck zu Besuch in Bonn
15 Bilder

Joachim Gauck zu Besuch in Bonn

15 Bilder

Gauck: Politik ist wie ein Ärztekongress

[kein Linktext vorhanden]"Viele junge Menschen fühlen sich oft machtlos und nicht von der Politik abgeholt", meint Carina Lange. Die 24-Jährige aus der Lüneburger Heide hat gerade ihr Politik- und Wirtschaftsstudium abgeschlossen und ist eine von zwei deutschen Jugenddelegierten, die an der UN-Generalversammlung teilnehmen können. Gauck hört zu und meint: "Wir haben viele kompetente Politiker, aber oft verstehen die Menschen im Land diese nicht." Er vergleicht die Politik mit einem Ärztekongress, "wo wir die Fachdiskussionen auch oft nicht verstehen würden".

Alexander Kauschanski ist der zweite Jugenddelegierte. Er berichtet von Besuchen in Feriencamps und Diskussionen dort. "Die jungen Menschen denken als Weltbürger und wollen Solidarität zeigen", meint der 21-Jährige aus Aachen. Gauck sagt, ihm gefalle, was die jungen Leute erzählten - er nennt sie einen Teil des hellen Deutschlands. Der Präsident geht sogar noch weiter: Mit ihren Aktionen seien sie "politische Vorbilder", die in die Gesellschaft wirkten. In eine Gesellschaft, die sich verändere. Doch viele Menschen glaubten daran, nichts verändern zu müssen. Für Gauck offenbar ein Unding. "Es gibt eine Neigung zu verspießern", wird er deutlich, "mein Vorgarten ist wichtig, mein Auto auch", sagt Gauck und setzt wenig später hinzu, "die Anti-Spießer-Haltung ist mir wichtig."

Deutschland sei "geprägt von großer Aufnahmebereitschaft"

Am Nachmittag in Lengsdorf trifft er Menschen, die keine Angst vor Veränderungen haben, sondern daran mitarbeiten, dass es jenen, die kommen, gut geht. So wie Heiko Pereira Wolf, THW-Einsatzleiter beim Aufbau der Zeltstadt in Köln. Neun Tage war er ehrenamtlich vor Ort. Bis seine Stimme versagte und er abgelöst wurde. Gauck fordert "hochaktive, handlungsbereite Stellen und Unterstützung aus der Bevölkerung heraus". Und er lobt: Deutschland sei "geprägt von großer Aufnahmebereitschaft". Die Regierung merke das und habe nun die Aufgabe, dies durch konkrete Regelungen zu verfestigen.

Alle Asylsuchenden könnten natürlich nicht bleiben. "Damit wir jene, die ein Anrecht haben, hierzubleiben, gastfreundlich empfangen können, müssen wir fragen, wo ist unsere Leistungsgrenze." Der Bundespräsident wird gefragt, was er jüngst mit "Dunkeldeutschland" gemeint habe. Das sei nicht geografisch gemeint gewesen, sagt er, "sondern das hängt von Haltungen ab, die Menschen an den Tag legen, und da kann man deutlich sehen, was hell ist und was dunkel".

Doch es geht nicht nur um das Flüchtlingsthema. Gauck besucht das Lagezentrum von Bund und Ländern, lässt sich erklären, was bei einem Elbehochwasser zu tun ist, informiert sich über die Einrichtung Nachsorge Opfer- und Angehörigenhilfe (Noah), die Menschen betreut, die Angehörige verloren haben oder die um deren Leben bangen, und er greift selbst ein: Der Bonner THW-Ortsverband will vorführen, wie Personen in die Tiefe herabgelassen werden können. Dazu ist ein Einsatzgerüstsystem aufgebaut, in das der 13-jährige Arno Gaus hineinsteigt. Gauck lässt den Jungen vorsichtig herunter. Natürlich sei das etwas Besonderes gewesen, erzählt Arno hinterher. Aber er habe "keinen Unterschied" dazu gespürt, wenn andere THWler das Gerät bedienten. Offenbar hat der Präsident den Dreh schnell rausgehabt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Antje Höning
zu den Folgen der
Lauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Kommentar zu den Folgen der Cannabis-LegalisierungLauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Zum Thema
Aus dem Ressort