Übergriffe auf Asylbewerber Auf der Suche nach der Verantwortung

BONN · Nach Übergriffen von Wachmännern in NRW kritisiert die Sicherheitsbranche die öffentliche Hand: Standards müssten besser überprüft werden.

Sind die misshandelten Asylbewerber von Burbach Opfer der Pfennigfuchserei öffentlicher Einrichtungen geworden? Gunnar Vielhaack, NRW-Chef des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Bezirksregierung Arnsberg, die das Management der in die Schlagzeilen geratene Flüchtlingsunterkunft bei Siegen an eine Privatfirma outsourct.

Wachmänner, die einem gefesselten, hilflosen Mann die Stiefel in den Nacken drücken oder einem weinenden Flüchtling befehlen, sich in sein Erbrochenes zu legen - die Videos und Fotos aus der Burbacher Flüchtlingsunterkunft sind am Arbeitgeberverband der Sicherheitsbranche nicht vorbeigegangen. "Ich bin erschüttert, was da passiert ist", sagt Vielhaack, Vorsitzender der NRW-Betriebe.

Wie es zu den Übergriffen kommen konnte, wird derzeit ermittelt. Klar ist jedoch schon jetzt, dass der Betrieb des Flüchtlingsheims mit seinen 700 Bewohnern an den Essener Privatbetrieb "European Homecare" abgegeben worden ist. Die wiederum delegierte die Sicherstellung der Ordnung in der konfliktträchtigen Unterkunft weiter an die Nürnberger Wachfirma SKI. Die gewalttätigen Sicherheitsmänner wurden von der bayrischen SKI nach NRW entsandt.

"Mir ist rätselhaft", so Vielhaack, "warum gerade in einem sensiblen Bereich wie Flüchtlingsheimen die Grundstandards der Branche nicht eingehalten worden sind." Dazu gehöre es, die Zuverlässigkeit der Mitarbeiter durch Vorlage eines Führungszeugnissen zu überprüfen, so dass straffällige Kandidaten erst gar keinen Zugang zur Sicherheitsbranche erhielten. "Wenn sich bestätigt, dass in Burbach vorbestrafte Wachmänner eingesetzt worden sind, dann Gute Nacht", so Vielhaack.

Seine Kritik zielt nicht nur auf die Firma SKI, die nach seinen Angaben in der Branche ein "Außenseiter" und kein Mitglied im Bundesverband der Sicherheitswirtschaft sei. Auch die öffentliche Hand, die die Flüchtlingsunterbringung privat erledigen lässt, trage Verantwortung: "Als Auftraggeber muss ich da doch mal vorbeigehen und selbst die Lage überprüfen: Bewältigt der Betreiber seine Aufgaben, kriegt der Sicherheitsdienst seinen Job hin?"

Im Sturm des Skandals veröffentlichte die Bezirksregierung Arnsberg am Montag eine Stellungnahme auf ihrer Internetseite, in der sie ein "Sofortprogramm" zur Krisenbewältigung ankündigte. Ein neuer Sicherheitsdienst sei in Burbach installiert, heißt es darin, der Betreiber müsse "künftig belegen, dass dort nur geprüftes Sicherheitspersonal mit Führungszeugnis die Flüchtlinge schützt". Vielhaack reagiert darauf mit Empörung: "Diese Anforderung ist doch längst normiert und in der Gewerbeordnung festgeschrieben. Als öffentlicher Auftraggeber muss man diese Papierlage aber mal selbst kontrollieren."

Der entsprechende Paragraf der Gewerbeordnung schreibt nicht nur fest, dass Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten im behördlichen Sinne zuverlässig sein müssen; er regelt auch, dass bei Aufgaben, die über den reinen Objektschutz hinausgehen, eine Sachkundeprüfung abzulegen sei. "Jeder Türsteher durchläuft eine solche Schulung", betont der NRW-Vertreter der Sicherheitsfirmen. Gelehrt werden Befugnisse und Pflichten, der Umgang mit Ordnungswidrigkeiten und die Deeskalation brenzliger Situation. In Flüchtlingsheimen müsste Personal seiner Meinung nach noch höhere Standards erfüllen - mehrjährige Berufserfahrung etwa, und die Fähigkeit, auf Englisch mit Asylbewerbern sprechen zu können. "Warum verlangt man das nicht", fragt Vielhaack, "und überprüft im Nachgang sämtliche Voraussetzungen?"

In Fernsehinterviews hatten Vertreter von European Homecare angegeben, bei der Auswahl des Sicherheitsdienstleisters aufgrund des hohen zeitlichen Unterbringungsdrucks der Flüchtlinge nicht mit der üblichen Sorgfalt gearbeitet zu haben. In einer Stellungnahme erklärte sich Geschäftsführer Sascha Korte am Montag: "Ich bin fassungslos und beschämt darüber, dass solche Übergriffe stattgefunden haben. Ich kann dafür nur um Entschuldigung bitten." Noch in dieser Woche will die Essener Firma auch die 40 anderen Asylunterkünfte, die sie in Deutschland ausstattet, organisiert und mit Essen versorgt, auf den Prüfstand stellen.

Ob European Homecare von der Bezirksregierung Arnsberg überhaupt ausdrücklich befugt war, in den Heimen Subunternehmer für den Sicherheitsdienst einzusetzen, ist eines von vielen fehlenden Puzzlestücken des Skandals. Brancheninsider Vielhaack hegt eine andere Vermutung: "Die öffentliche Vergabepraxis setzt auf eine starke Wertigkeit im Preis und achtet zu sehr aufs Geld." Eine Zielrichtung, die European Homecare ihren öffentlichen Auftraggebern schon in vorauseilendem Gehorsam als ersten Punkt andient: "Die Grundlagen unseres Erfolgs sind auf geschäftlicher Ebene: Flexibilität, Effektivität, strikte Auftragserfüllung, geringe Overheadkosten und Kostenbewusstsein." Erst an zweiter Stelle folgt bei den Unternehmenswerten die "menschliche Ebene".

Bei der Sicherheitsfirma SKI leitete am Montag ein zerknirschter Mitarbeiter alle Anfragen weiter an eine Anwaltskanzlei. Die ließ ausrichten, dass aktuell geprüft werde, wie ihre Mandantin zu der Einschätzung kommen konnte, dass die betreffenden Wachmänner "zuverlässig" seien. In einer Mitteilung bekräftigt SKI, alle Qualitätsstandards einzuhalten und Tariflohn zu zahlen. "Die bekannt gewordenen Vorfälle sind niederträchtig", heißt es weiter.

Bei wem der Schwarze Peter für die Misshandlung der Flüchtlinge in den nächsten Tagen landet, bleibt abzuwarten. Die Stadt Bonn jedoch ist alarmiert: Schon diese Woche soll European Homecare auch den Betrieb von Flüchtlingsplätzen in Bad Godesberg übernehmen. Ähnliche Schlagzeilen will man am UN-Standort auf keinen Fall lesen.

Mitwirkungsmöglichkeit hat die Kommune indes keine, da die Bezirksregierung Köln in diesem Fall federführend ist. "Wir haben mit 705 Flüchtlingen, die wir selbst derzeit unterbringen, Erfahrung auf dem Gebiet", sagt Sozialdezernentin Angelika Maria Wahrheit, "wir werden die Bezirksregierung bitten, uns Auskunft zu erteilen, wie solche Vorfälle in Zukunft verhindert werden können." Das Wegschauen soll sich in Bonn nicht wiederholen dürfen.,

Die Sicherheitsfirma SKI

Die Nürnberger Sicherheitsfirma SKI, die für den Wachdienst in den Flüchtlingsunterkünften in Burbach und Essen zuständig war, ist bundesweit aktiv. Sie hat nach Angaben eines Sprechers etwa 150 Mitarbeiter. Der Schwerpunkt des 1994 gegründeten Unternehmens liegt im Werk- und Objektschutz. Mitarbeiter der SKI Wach- und Sicherheitsgesellschaft arbeiten außerdem als Türsteher für Einkaufszentren und im Personen- oder Veranstaltungsschutz. Ein weiteres Standbein sind Ermittlungen und Detektivleistungen - etwa zur Aufklärung von Schwarzarbeit oder bei Diebstahl und Betrug. Auch Chauffeurdienste bietet SKI an. In einem Stellenangebot der SKI im Internet vom 17. September für einen Wachmann in Burbach werden weder ein Bildungsabschluss noch Berufserfahrung vorausgesetzt. dpa

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