Nach Zwischenfall in belgischem Reaktor Atomkraftgegner fordern endgültiges Aus für Doel 1

Bonn/Aachen · Nachdem der belgische Atomreaktor Doel 1 wegen eines Lecks im Notkühlwasserkreislauf vorsichtshalber heruntergefahren wurde, fordern Anti-Atom-Initiativen die sofortige und endgültige Stilllegung der Anlage.

Anti-Atomkraft-Initiativen und Umweltverbände fordern von der belgischen Regierung die sofortige und endgültige Stilllegung des Atomkraftwerks Doel. Das Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen und das Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie kritisierten am Mittwoch die schleppende Informationspolitik des Betreibers Engie-Electrabel und der belgischen Atomaufsicht nach dem gravierenden Störfall vom 23. April. Deshalb sollten auch alle Lieferungen von Brennelementen aus dem emsländischen Lingen sowie von angereichertem Uran aus dem westfälischen Gronau nach Belgien eingestellt werden.

In einer gemeinsamen Erklärung mit acht weiteren Organisationen, darunter der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz und Ärzte zur Verhütung eines Atomkriegs, forderten sie von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) einen Brennelementelieferstopp nach Belgien per Weisung. „Was muss in Doel und Tihange eigentlich noch passieren, bevor das Bundesumweltministerium und die Bundesregierung die Reißleine ziehen, um die äußerst brisanten Exporte von Brennelementen und angereichertem Uran für den AKW-Betrieb in Belgien einzustellen?“, fragte Jörg Schellenberg vom Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie.

Neue Proteste geplant

Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen wies darauf hin, dass der Betreiber der Lingener Brennelementefabrik in Niedersachsen, EDF-Framatome, sich mehrheitlich im französischen Staatsbesitz befindet. Lingen sei schon seit langem der wichtigste Brennelementelieferant für den Reaktorstandort Doel. Das angereicherte Uran für die Brennelemente stamme zum Teil aus der Urananreicherungsanlage in Gronau.

Für die kommenden Wochen planen Anti-Atomkraft-Initiativen aus NRW und Niedersachsen sowie Umweltverbände neue Proteste gegen den Weiterbetrieb der belgischen Pannenreaktoren sowie der Brennelementefabrik Lingen und der Urananreicherungsanlage Gronau. Den Auftakt macht am 10. Mai zur Verleihung des Karlspreises an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron ab 10 Uhr eine Anti-Atom-Demo in Aachen. Der französische Staat stehe aufgrund der großen staatlichen Beteiligung in Doel, Tihange und auch bei der Brennelementefabrik Lingen in besonderer Verantwortung, die störanfälligen Atomanlagen endlich stillzulegen, erklärten die Anti-Atom-Initiativen.

In der Grenzregion Aachen besteht die Sorge vor einem atomaren Unfall in einem der grenznahen Atomkraftwerke Tihange nahe Lüttich und Doel kurz vor der niederländischen Grenze. Seit Jahren stehen die beiden Atomkraftwerke wegen Tausender Haarrisse an den Behältern in der Kritik. Wie die belgische Atomaufsichtsbehörde bestätigte, gab es am 23. April ein Leck im Notkühlwasserkreislauf von Doel 1. Medienberichten zufolge wurde der Reaktor am 27. April vom Netz genommen. Dies soll offenbar bis mindestens Oktober so bleiben.

Betreiber: "Keinerlei Auswirkungen"

Nach Angaben des Betreibers Engie Electrabel hatte die undichte Stelle keinerlei Auswirkungen auf die Mitarbeiter, die Umwelt oder die Bevölkerung. Die belgische Atomaufsichtsbehörde (FANC) sprach von einem minimalen Leck, das "an sich keine Sicherheitsprobleme darstelle". Radioaktivität trat nicht aus.

Das betroffene Kühlsystem wird demnach nur im Fall eines schweren Unfalls genutzt und hat im Normalbetrieb keine Funktion. Der Vorfall habe weit unter dem Niveau gelegen, das eine automatische Notabschaltung des Reaktors notwendig gemacht hätte, hieß es. Dass die Anlage nun mindestens bis zum 1. Oktober abgeschaltet bleiben soll, habe nichts mit dem Leck im Notkühlwasserkreislauf zu tun, sondern damit, dass vom 29. Mai an turnusmäßige Wartungsarbeiten auf dem Programm stehen. Diese waren schon seit langer Zeit geplant. Das Leck war bereits vergangene Woche Montag aufgetreten.

Auch in Deutschland kommt es immer wieder zu Defekten und Problemen. Nach den Monatsberichten Januar und Februar des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) wurden zuletzt fünf meldepflichtige Ereignisse registriert. Betroffen waren die schleswig-holsteinischen Kernkraftwerke Krümmel bei Geesthacht (Kreis Herzogtum Lauenburg), Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen) und Brokdorf (Kreis Steinburg) sowie die AKW Emsland im niedersächsischen Lingen (Kreis Emsland) und Neckarwestheim 2 (Kreis Heilbronn/Baden-Württemberg).

Der Standort des belgischen Reaktors Doel 1 ist rund 140 Kilometer von der nordrhein-westfälischen Stadt Aachen entfernt. Die Anlage wurde 1975 in Betrieb genommen und soll nach derzeitigen Planungen noch bis 2025 am Netz bleiben.

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