Neuer NRW-Ministerpräsident Armin Laschet verspricht "die besten Köpfe"

Düsseldorf · Armin Laschet hat gemessenen Schrittes sein Regierungsamt als NRW-Ministerpräsident angetreten. Der 56-Jährige scheint von Tag zu Tag an Format zu gewinnen. Ein Analysebericht über sein Auftritt im Landtag.

 Der neugewählte nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU).

Der neugewählte nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU).

Foto: dpa

Ein kleines bisschen wackelt die Stimme dann doch. Armin Laschet, der gerade gekürte und vereidigte neue Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, tritt ans Rednerpult. Er dankt den 100 Abgeordneten, die ihn gewählt haben. Er wendet sich an seine Vorgängerin Hannelore Kraft, überreicht ihr in einer überraschenden Geste einen Blumenstrauß und dankt ihr „für den Wettstreit um die besten Konzepte“, der hart in der Sache, aber niemals persönlich verletzend gewesen sei. All das geht ihm routiniert über die Lippen, als wäre er es im Geiste schon hundertmal durchgegangen.

Dann aber ist seine Familie an der Reihe. Sie alle sind heute erschienen, seine Frau Susanne, sein Vater, die Kinder. Er schaut kurz nach oben zu ihnen auf die Zuschauertribüne und muss ein wenig um Fassung ringen: „Danke, dass ihr mich gestützt habt, als es mal etwas schwierig war“, sagt er dann. Die Familie sei ihm stets ein verlässlicher, kritischer Kompass gewesen.

Vom tragischen Helden zum Sieger

„Etwas schwierig“ war es für Armin Laschet schon oft in seiner politischen Karriere. Wie der tragische Held in einem Drama hatte er Rückschlag um Rückschlag wegstecken müssen, bis er am 14. Mai 2017 endlich zum Wahlsieger wurde. So zäh haftete ihm das Verliererimage an, dass ihm noch kurz vor dem Wahltag in NRW kaum jemand den Sieg zugetraut hatte. Allenfalls als Juniorpartner einer großen Koalition in NRW sahen ihn die meisten. Doch nun hat er es allen bewiesen.

Als Landtagspräsident André Kuper das Wahlergebnis verkündet, wirkt Laschet dennoch gefasst. Es ist, als hätte auch die Bürde des Amtes schon ein wenig von ihm Besitz genommen. Freundlich nimmt er die Glückwünsche seiner Vorgängerin Kraft entgegen, die als Erste gratuliert. Und ganz ruhig den Jubel, die Standing Ovations und das rhythmische Klatschen seiner Parteifreunde. Seit fast 40 Jahren ist er CDU-Mitglied, doch die Partei war nicht immer gut zu ihm. Lange sah es so aus, als würde Laschet einer jener Politiker werden, denen es beschieden ist, stets in der zweiten Reihe zu stehen.

Als er 2010 für das Amt des Vorsitzenden des CDU-Landesverbandes NRW kandidierte, nachdem Jürgen Rüttgers die Wahl verloren hatte, unterlag er in einer Mitgliederbefragung dem Gegenkandidaten Norbert Röttgen. Zwei Jahre später, als auch Röttgen gegen Hannelore Kraft verloren hatte, trat Laschet als neuer Vorsitzender der CDU in NRW an. Seine Parteifreunde aber hatten noch immer Vorbehalte: Nur 77 Prozent stimmten für ihn. Das alles ist heute vergessen.

Die möglichen 100 Stimmen, aller Wahrscheinlichkeit nach von CDU und FDP, hat er bekommen. Das ist der maximale Rückhalt. Alles andere zählt nicht. Die 16 AfD-Abgeordneten, die allesamt ungültige Stimmen abgaben – wen interessiert es? Dass es in der geheimen Wahl aber auch zwei Enthaltungen vermutlich aus den Reihen von SPD und Grünen gab, kann Laschet durchaus als Erfolg werten. Auch sie hätten ja mit Nein stimmen können.

Seit der NRW-Wahl vor knapp sechs Wochen scheint der 56-Jährige von Tag zu Tag an Format zu gewinnen. Unverzüglich nahm Laschet einen staatsmännischeren Habitus an, er legte sich eine leicht salbadernde Sprechweise zu, die entfernt an Johannes Rau erinnert. Gemessenen Schrittes tritt er auch heute in das Rund des Landtages, um seinen Amtseid abzulegen, dem der gläubige Katholik wenig überraschend die Formel „so wahr mir Gott helfe“ anfügt.

Zügig hatte Landtagspräsident Kuper zuvor durch das Protokoll geführt. Hatte zunächst den Tagesordnungspunkt eins, die Wahl des Ministerpräsidenten, und wenig später Nummer zwei, die Vereidigung, aufgerufen. Und doch waren Laschet die Minuten des Wartens offensichtlich lang geworden. Immer wieder schaut er auf seine Uhr, wendet sich an FDP-Chef Christian Lindner. Wie Vertraute wirken die beiden, die in den vergangenen knapp sechs Wochen die Koalitionsverhandlungen recht reibungslos hinter sich brachten. Nicht wenige meinen, dass Laschet den schwierigsten Part im Umgang mit seinem Koalitionspartner damit schon hinter sich habe. Denn Lindner wird sich in den nächsten Wochen vor allem um die Bundestagswahl kümmern. Und dessen künftiger Stellvertreter Joachim Stamp gilt eher als verträgliche Natur.

Am Freitag sollen die Minister vereidigt werden

Wer sonst noch ins Kabinett einrückt, wird sich jetzt schnell erweisen, am Donnerstag soll es vorgestellt werden. Aus Sorge, Parteifreunde zu verprellen, hatte Laschet die Bekanntgabe dem Vernehmen nach auf die Tage nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten verschoben. Noch an diesem Dienstag, so munkelt man, will er seine Leute über die Ministerriege informieren. Am Freitag sollen die Minister vereidigt werden.

Nicht nur in der Koalition sind sie voller Erwartung, auf wen es hinausläuft. Auch in den bisher rot oder grün geführten Ministerien steigt die Spannung. Für viele in Spitzenpositionen geht es um ihre berufliche Zukunft. Manch ein Beamter wird am Freitag vorsorglich eine Klappkiste mitbringen, in der er seine Habseligkeiten unterbringt, um im Zweifel sein Büro schnell räumen zu können. Nach allem, was zu hören ist, wollen CDU und FDP kein Risiko eingehen – und lieber mehr denn weniger Stellen neu besetzen.

An diesem Dienstagnachmittag aber hat Laschet keine Eile. Seine Antrittsrede geht weit über das hinaus, was in seinem Manuskript steht: „Zuhören. Entscheiden. Handeln“, das solle die Amtszeit prägen. Er werde die besten Köpfe zusammenbringen, verspricht er. Und auch ein Signal an die politischen Gegner sendet er noch: „Der Grundsatz der fairen Auseinandersetzung – voller Respekt, bei allen Unterschieden – soll die politische Kultur unseres Landes auch in den nächsten Jahren prägen.“

Doch ein wenig üben muss Laschet wohl noch. Nach alter Gewohnheit kehrt er nach Ende der Rede auf seinen alten Platz in der Fraktion zurück. Erst nachdem der Landtagspräsident seinen Blick sucht und ihn auf seinen Fauxpas aufmerksam macht, setzt sich Laschet auf die Regierungsbank.

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