Parteitag in Köln AfD zieht mit ungleichem Duo in den Wahlkampf

Die AfD hat ein Spitzenduo für den Bundestagswahlkampf gekürt. Die Vorsitzende Frauke Petry geht stark geschwächt aus dem Parteitag hervor. Der rechtsnationale Flügel hat in Köln die Oberhand.

Die AfD zieht mit einem nationalkonservativ ausgerichteten Spitzenduo in den Bundestagswahlkampf und stellt Parteichefin Frauke Petry ins Abseits. Der Parteitag kürte den Vizevorsitzenden Alexander Gauland mit starkem Rückhalt im rechtsnationalen Lager und Vorstandsmitglied Alice Weidel zum Top-Tandem für den Wahlkampf. Petry scheiterte dagegen in Köln mit dem Versuch, die Partei auf einen "realpolitischen" Kurs einzuschwören.

Weidel zeigte sich vor Delegierten am Sonntag zuversichtlich, dass die AfD im Mai in die Landesparlamente in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen einziehen werde und im September in den Bundestag. "Wir sind stärker als je zuvor". Weidel gilt zwar als Vertreterin des wirtschaftsliberalen Flügels. In Köln blies sie jedoch in das gleiche Horn wie der Co-Parteivorsitzende Jörg Meuthen, der beklagt, er sehe in den Städten immer weniger Menschen mit deutschen Wurzeln. Weidel sagte, die AfD werde Opposition gegen eine "unverantwortliche Migrationspolitik" machen und die deutsche Identität bewahren.

Gauland betonte: "Wir wollen das Land behalten, das wir von unseren Müttern und Vätern ererbt haben." Und: "Wir sind stolz, Deutsche zu sein." Die AfD-Vorsitzende selbst hatte nach wochenlangem Tauziehen vor einigen Tagen überraschend erklärt, sie stehe nicht als Spitzenkandidatin zur Verfügung.

In Richtung Petry zeigte sich Gauland versöhnlich: "Wir brauchen Sie in der Partei", rief er unter großem Applaus der Delegierten. Sie hatte zuvor eine schwere Schlappe einstecken müssen: Die Delegierten hatten es abgelehnt, sich mit einem von ihr formulierten "Zukunftsantrag" zu befassen, mit dem sie eine strategische Neuausrichtung erzwingen wollte. Der Co-Vorsitzende Jörg Meuthen griff die 41-Jährige, die gegen eine "fundamentaloppositionelle Strategie" der AfD ist, frontal an.

Die rechtspopulistische AfD verabschiedete bei dem von Protesten begleiteten Parteitag auch ihr Programm für die Bundestagswahl im September. Darin spricht sich die Partei gegen eine "ungeregelte Massenimmigration in unser Land und in unsere Sozialsysteme" aus. Integration sei eine Bringschuld der Migranten - diese müssten sich "anpassen". Deutschland solle den Euro-Raum verlassen. Für die Wiedereinführung der D-Mark müssten rechtzeitig Vorkehrungen getroffen werden. Familien sollten gestärkt werden.

Petry zeigte sich trotz ihrer Schlappe zuversichtlich, dass ihr die Partei noch folgen werde. Sie will die AfD mittelfristig koalitionsfähig machen. "Ich glaube, dass die Partei aufwachen wird und sehen wird, dass eine Orientierung nach innen für eine Partei, die gewählt werden will, nicht ausreicht", sagte sie im ZDF. Vor Journalisten in Köln betonte sie, sie wolle der AfD vorerst nicht den Rücken kehren. Auf die Frage, ob es noch ihre Partei sei, antwortete sie: "Ich werde mir bis zum Herbst ansehen, wie sich das weiter entwickelt."

Meuthen kritisierte unter großem Jubel der Delegierten die Zuwanderungspolitik der Bundesregierung. Er sagte: "Wir wollen nicht zur Minderheit im eigenen Land werden, und sind es doch zu Teilen bereits."

Gegner seien Kanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chef Martin Schulz und auch Grünen-Politikerin Claudia Roth. Die AfD werde niemals Koalitionen mit "solchen Figuren" eingehen. "Und nein, das ist keine Fundamentalopposition", rief Meuthen in Richtung von Frauke Petry.

Diese hatte wiederum angemahnt, das AfD-Außenbild dürfe nicht "durch Agieren einzelner und nicht auf Bundesebene dafür gewählter Protagonisten so nachhaltig geprägt" werden. Die Kritik war auch gegen den Thüringer Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke gemünzt.

Die Demonstrationen mit mehr als 10 000 Teilnehmern gegen die Rechtspopulisten waren am Samstag weitgehend friedlich. Die Kölner Polizei äußerte sich nach dem Einsatz mit 4000 Kräften zufrieden. Zum Auftakt am Samstagmorgen kam es allerdings auch zu Rangeleien mit der Polizei. Zwei Beamte wurden verletzt. Am Sonntag blieb es dagegen ruhig, Zwischenfälle gab es nach Angaben der Einsatzkräfte keine. An einer Kundgebung am Samstag hatte auch NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) teilgenommen.

Das Internationale Auschwitz-Komitee zeigte sich besorgt über die Entwicklung bei der AfD: "Die AfD verabschiedet sich in Köln endgültig und deutlich aus dem gesellschaftlichen Konsens Nachkriegsdeutschlands und aus den zivilen Gepflogenheiten der bürgerlichen Mitte", sagte Christoph Heubner von der Organisation. Aus dem Zentrum der AfD schäle sich ein "immer geschlosseneres Welt- und Gesellschaftsbild" heraus, das "in seinen dominanten rechtsextremen und völkischen Tonlagen" von Demokratieverachtung und gesellschaftlichem Freund-Feind-Denken getragen werde.

"Die Rechtspopulisten der AfD befinden sich nach meiner Einschätzung ganz klar auf dem Weg in den Rechtsextremismus", erklärte der Zentralratsvorsitzende der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Der der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann sagte der "Welt", er sehe "nach dem Parteitag eine echte Chance, dass die AfD es nicht in den Bundestag schafft".

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