Interview mit FDP-Politiker Joachim Stamp „Wir sind nicht der liberale Arbeitskreis der CDU“

Bonn · Wenn der FDP-Bundes- und Landesparteichef Christian Lindner in den Bundestag wechselt, wird der Bonner Joachim Stamp die Nummer eins der FDP im Land. Mit ihm sprach Bernd Eyermann.

Sie haben am Wahlabend gesagt, die FDP werde auf dem Teppich bleiben. War Ihnen der Jubel Ihrer Parteifreunde eine Spur zu laut?

Joachim Stamp: Ich kann verstehen, wenn die Parteimitglieder nach den vielen Demütigungen, die sie nach 2013 erleben mussten, ausgelassen feiern. Aber für diejenigen, die in der Verantwortung stehen, ist es umso wichtiger, mit diesem Ergebnis sehr verantwortungsvoll umzugehen.

Sie könnten offensiv eine Koalition mit der CDU vorantreiben. Tun sie aber nicht. Wollen Sie sich möglichst teuer verkaufen?

Stamp: Nein, die CDU hat einen sehr harten Wahlkampf gegen uns geführt, sogar ausdrücklich davon gesprochen, dass FDP-Stimmen verlorene Stimmen seien, und davor gewarnt, FDP zu wählen, weil man damit Frau Kraft unterstützen würde. Jetzt werden wir ganz nüchtern in die Verhandlungen gehen. Entscheidend ist, dass wir liberale Kernanliegen durchsetzen.

CDU und FDP gelten als natürliche Partner, sagt Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann. Wie lange dauert es, bis die Koalition steht?

Stamp: Wir sind eine eigenständige Partei und nicht der liberale Arbeitskreis der CDU. Es gibt keine Automatismen für ein solches Bündnis.

Dennoch: Im Blick auf die Bundestagswahl müsste Ihnen doch an einer schnellen Regierungsbildung gelegen sein.

Stamp: Die CDU hat den Regierungsauftrag. Es liegt an Armin Laschet, uns zu Gesprächen einzuladen.

Wie gut können Sie denn mit ihm?

Stamp: Ich mag ihn persönlich. Verärgert war ich über seinen Wahlkampf.

Ist denn dieser atmosphärische Dissens zu kitten?

Stamp: Der Wahlkampf ist vorbei. Wir reden über Sachthemen und da muss man sehen, ob man zueinander kommt oder nicht. Wenn wir der Auffassung sind, dass es nicht reicht, dann machen wir lieber Opposition.

Christian Lindner will nicht in eine Landesregierung eintreten. Sie könnten Innenminister und Vize-Ministerpräsident werden.

Stamp: Es geht nicht um mich. Entscheidend ist, dass wir Inhalte nach vorn bringen und nicht nach Posten schielen.

Wo sind denn die entscheidenden Knackpunkte?

Stamp: In der Bildungspolitik wird es Veränderungen zugunsten der Gymnasien und Realschulen geben müssen. Wir müssen die Inklusion völlig anders organisieren und die Förderschulen erhalten.

Auch die CDU will Förderschulen erhalten, bei G8/G9 gibt es ähnliche Konzepte. Wo ist das Problem?

Stamp: Die Frage ist doch, ob sich die CDU aus dem Schulkonsens, den sie 2011 mit SPD und Grünen gefasst hat, lösen kann, was die Benachteiligung von Gymnasien und Realschulen gegenüber den Schulen des längeren gemeinsamen Lernens angeht.

Ist mit Ihnen das dreigliedrige Schulsystem wieder ein Thema?

Stamp: Es geht uns nicht darum, eine Schulform abzuschaffen, sondern die Schulvielfalt zu erhalten. Dazu gehören gerade die Gymnasien und die Realschulen. Wir wollen die mittleren Bildungsabschlüsse stärken. Es muss nicht jeder das Abitur machen.

Die CDU will flächendeckende Videoüberwachung und verdachtsunabhängige Personenkontrollen bei der Schleierfahndung. Ist das das größte Problem auf dem Weg zu einer gemeinsamen Regierung?

Stamp: Wir glauben, dass die CDU da konzeptionell nicht gut aufgestellt ist. Es bringt nichts, verdachtsunabhängige Kontrollen zu machen, wenn man heute noch nicht einmal das Personal hat, Verdächtige zu verfolgen. Videoüberwachung bringt nur dort etwas, wo es Gefahrenschwerpunkte gibt. Wir sind immer für die Anlassbezogenheit und die Effizienz des Rechtsstaats. Dafür brauchen wir mehr Polizei vor Ort. Deswegen wollen wir den Polizeidienst auch für Realschüler öffnen.

Bleiben Sie in Bonn Ratsherr und FDP-Kreisvorsitzender, wenn Sie in Düsseldorf mehr gefordert sind?

Stamp: Das müssen wir in Ruhe besprechen. Ich freue mich sehr, dass Franziska Müller-Rech als zweite Bonner Landtagsabgeordnete den Einzug geschafft hat. Das ist auch für mich eine ganz große Erleichterung.

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