Tödliche Schüsse auf Polizisten „Reichsbürger“ auch in NRW wachsende Gefahr

Düsseldorf/Georgensmünd · Auch in Nordrhein-Westfalen sieht der Verfassungsschutz zunehmende Aktivitäten von sogenannten "Reichsbürgern". Sie fallen vor allem durch ihr aggressives Auftreten gegenüber den Behörden auf.

 Beamte der Spurensicherung durchkämmen in Georgensgmünd das Wohnhaus des 49-Jährigen, der einen Polizisten getötet hat.

Beamte der Spurensicherung durchkämmen in Georgensgmünd das Wohnhaus des 49-Jährigen, der einen Polizisten getötet hat.

Foto: dpa

Der Verfassungsschutz verzeichnet auch in NRW eine wachsende Bedrohung durch „Reichsbürger“. Es gebe zwar nur eine niedrige dreistellige Personenzahl dieser Gruppierung, doch deren Aktionen hätten in den vergangenen Monaten zugenommen, erklärte NRW-Verfassungsschutz-Chef Burkhard Freier am Donnerstag. „Das sind keine Spinner mehr, sie versuchen den Staat zu zerstören“, so Freier.

Die Bewegung sei ein Sammelbecken für Verschwörungstheoretiker, Rechtsextremisten und Querulanten. Der NRW-Verfassungsschutz beobachte sie bereits seit Jahren. Doch erst nach dem Mord an einem SEK-Beamten in Bayern sollen nun „Reichsbürger“ im Verfassungsschutzbericht 2016 erstmals als eigene Gruppierung Erwähnung finden.

Bislang wurden nur einzelne Personen überwacht. Nach Erkenntnissen der Behörden gibt es in NRW keine regionalen Zentren der „Reichsbürger“, es handele sich vielmehr um sehr kleine Zellen oder isolierte Einzelgänger. Freier geht davon aus, dass die Mehrheit der „Reichsbürger“ in NRW nicht unmittelbar gewalttätig ist. „Der größte Teil sind eher Ideologen“, so der Verfassungsschutz-Chef. Gleichwohl sei deren Auftreten gegenüber Behörden aggressiv und penetrant. „Reichsbürger“ tun so, als bestehe das Deutsche Reich fort. Sie verweigern unserer Rechtsordnung die Anerkennung, zahlen häufig keine Steuern, stellen sich eigene Pässe und Autokennzeichen aus.

Es sei bereits vorgekommen, dass gegen einzelne Beamte Rückzahlungsforderungen von mehreren Hunderttausend Euro erhoben wurden, erklärte Freier. Mit Hilfe amerikanischer Anwaltskanzleien würden über den EU-Staat Malta solche Regressforderungen gegen deutsche Behördenmitarbeiter platziert. „Mit diesen Leuten kann man nicht diskutieren, da muss man konsequent auftreten“, so der oberste Verfassungsschützer in NRW. Das Land verfügt bislang über keine Erkenntnisse, wie viele „Reichsbürger“ Inhaber einer Waffenbesitzkarte sind.

Bei polizeibekannten Rechtsextremisten aus dem Milieu der „Reichsbürger“ sei jedoch längst gewährleistet, dass die Eignung zum legalen Waffenbesitz regelmäßig überprüft werde. „Erklärte Staatsfeinde bieten keine Gewähr für den verantwortungsvollen Umgang mit Schusswaffen, sondern stellen eine Gefahr dar“, sagte Innenminister Ralf Jäger (SPD). Die Streifenwagen in NRW werden in den nächsten Tagen als Zeichen der Solidarität mit dem getöteten bayerischen Polizisten mit Trauerflor fahren.

Der 49-jährige „Reichsbürger“ aus Georgensmünd war vor den tödlichen Schüssen auf Polizisten in seiner mittelfränkischen Gemeinde als nicht gefährlich eingestuft worden. Er sei wegen seiner Ansichten zwar „aufgefallen“. „Anlass zur Besorgnis gab es aber nicht“, sagte Bürgermeister Ben Schwarz (SPD) am Donnerstag. Im Januar habe der Mann seinen Personalausweis abgegeben und seine Staatsbürgerschaft aufgeben wollen. Kurze Zeit später habe der Mann auch seinen Wohnsitz abgemeldet und sei „nach unbekannt verzogen“, obwohl er Eigentümer des Hauses ist und weiter dort wohnte. Auch der Briefkasten sei abmontiert worden.

So hätten Gläubiger keine Forderungen mehr an ihn schicken können. Nach seinen Eindrücken sei der Mann kein völliger Einzelgänger gewesen. „Er hatte wohl ein normales soziales Umfeld“, sagte Schwarz. „Wir haben ihn aber eben für ein bisschen anders gehalten, aber nicht in der Form, dass man reagieren muss.“

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