Studie zum Internetverhalten von Kindern Dreikäsehoch und gut vernetzt

BERLIN · Der drei Jahre alte Paul kann noch nicht lesen und nicht schreiben. Und wenn er am Schreibtisch seiner Eltern den Computer in Gang setzt, braucht er zwei Kissen unter dem Hintern, um gut über die Tischplatte greifen zu können.

Online in der Kita ist längst keine Ausnahme mehr.

Online in der Kita ist längst keine Ausnahme mehr.

Foto: dpa

Aber im Internet bewegt sich Paul sicher und mit hoher Selbstverständlichkeit. Er ruft Internetseiten auf und klickt Filme an. Wie das geht? Der Dreikäsehoch orientiert sich im weltweiten Netz schlicht anhand von Farben und Symbolen. Kinderleicht und mitunter hoch gefährlich.

Paul gehört zu jenen elf Prozent der Dreijährigen in Deutschland, die bereits regelmäßig online sind, wie jetzt eine Studie für das Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) ergeben hat. Bei den Sechsjährigen bewegen sich 28 Prozent regelmäßig im Netz, bei den Achtjährigen schaltet sich schon mehr als die Hälfte (55 Prozent) regelmäßig online. Insgesamt gehört demnach für 1,2 Millionen Kinder zwischen drei und acht Jahren in Deutschland das Internet mit einiger Selbstverständlichkeit zu ihrem Leben, unabhängig von der Einkommensschicht ihrer Eltern. Allerdings zeigt die Studie, dass Kinder bildungsferner Eltern das Internet deutlich seltener zur Informationssuche oder zum Lernen nutzten.

Nicht nur in der Familie Schwesig stellt sich dabei die Frage: Wieviel Internet ist gut für das Kind? Auch für Manuela Schwesig, von Amts wegen Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, ist das nicht einfach zu beantworten. Denn die SPD-Politikerin, Mutter eines achtjährigen Sohnes, weiß: "Eltern möchten ihren Kindern einen guten Start in eine Gesellschaft geben, die sich zunehmend digital organisiert." Schwesig sagt: "Es kommt halt auf einen gesunden Mix an." "Filme und Berieseln" gehörten genauso dazu wie Toben und Spielen, erklärt die Familienministerin, als sie zusammen mit der stellvertretenden DIVSI-Direktorin, Joanna Schmölz, und der Direktorin des Sozialforschungsinstituts Sinus, Silke Borgstedt, die Ergebnisse der Studie vorstellt. Die Wissenschaftler befragten dazu gut 1800 Eltern von Drei- bis Sechsjährigen sowie gut 1000 Sechs- bis Achtjährige.

Ein Ergebnis: Nicht alle Kinder sind automatisch sogenannte "Digital Natives", also Menschen, die mit der Geburt quasi Spielekonsole oder Laptop in die Wiege gelegt bekommen. Aber: Je häufiger und selbstverständlicher die Eltern selbst im Netz unterwegs sind, desto eher sind auch deren Kinder online und desto selbstsicherer erwerben diese eigene Internetkompetenzen. DIVSI-Vize-Direktorin Schmölz: "Das Internet ist für viele Kinder längst ein wesentlicher Bestandteil ihrer Sozialisierung." Und so wünscht sich Familienministerin Schwesig auch, dass Eltern das Internet nicht aus dem Blickwinkel von "Risiken oder Angstperspektive" sehen würden, sondern mit der Sicht auf die Chancen, die digitale Kompetenzen für den künftigen Lebens- und Berufsweg ihrer Kinder brächten.

Sieben unterschiedliche Internet-Elternmilieus haben die Wissenschaftler in dieser Studie identifiziert. Die größte Gruppe bilden mit 26 Prozent die "Digital Souveränen", gefolgt von den "effizienzorientierten Performern" (19 Prozent) und den "unbekümmerten Hedonisten" (18 Prozent). Alle drei Gruppen haben eine vergleichsweise hohe Affinität zum Internet, pflegen aber einen unterschiedlichen Umgang von offen-vernetzt bis hin zu verantwortungsbewusst-skeptisch. Bei den "digital Souveränen" gehöre das Internet "so selbstverständlich dazu wie Zähneputzen sein sollte", so Sinus-Direktorin Borgstedt.

Es folgen mit 13 Prozent die "postmateriellen Skeptiker", dann die "verantwortungsbedachten Etablierten" sowie die "ordnungsfordernden Internet-Laien" (beide je neun Prozent) und als kleinste Gruppe die "internetfernen Verunsicherten" (sechs Prozent), die sich teilweise überfordert mit Untiefen und Anarchie des Internets zeigten. Und so wachsen die Kinder nach dem gelebten Vorbild ihrer Eltern in unterschiedlichen digitalen Lebenswelten auf.

In der größten Gruppe der "digital Souveränen" gaben 69 Prozent der Eltern an, dass Computerspiele aus ihrer Sicht auch dazu dienten, die Konzentrationsfähigkeit und motorische Fähigkeiten ihrer Kinder zu verbessern. Bei den "unbekümmerten Hedonisten", die ihre Kinder vielfach selbst entscheiden lassen, wie intensiv sie das Internet nutzten, gaben 46 Prozent der befragten Eltern an, "dass ihr Kind wütend wird, wenn es das Spielen an einem Gerät beenden soll". Unter den "ordnungsfordernden Internet-Laien" sind 71 Prozent der Eltern der Meinung, das Internet berge derart viele Gefahren, dass es besser sei, das Kind so lange wie möglich davon fernzuhalten.

Dabei sind insgesamt 65 Prozent der Eltern davon überzeugt, "dass Kinder den Umgang mit digitalen Medien von klein auf lernen müssen, um nicht von der Gesellschaft abgehängt zu werden". Digitale Teilhabe werde zur "zentralen Voraussetzung" für soziale Teilhabe, so ein Ergebnis der Studie. So meinen beispielsweise 62 Prozent der Eltern, "dass es Kinder schwieriger haben, im Freundeskreis anerkannt zu sein, wenn sie nicht mit den neuesten Geräten ausgestattet sind". Interessant: Trotz der zunehmenden Bedeutung des Internets für die digitale Welt finden digitale Medien in vielen Schulen kaum Raum und Zeit. Nur ein Fünftel der Kinder arbeitet demnach in der Schule regelmäßig mit digitalen Medien.

Schwesig wünscht sich für einen besseren Schutz der Kinder einen "Sicherheitscode für digitale Angebote". Die SPD-Politikerin macht es Zuhause so: Surft sie mit ihrem achtjährigen Sohn im Internet oder suchen sie nach einem Begriff, nehmen sie die Kindersuchmaschine "Blinde Kuh". Unlängst sollte Schwesig junior für die Schule den Begriff "Mumie" eingeben. Die Kinder suchten über "Google" und bekamen teils gruselige Bilder zu sehen. Mit der "Blinden Kuh" wäre das nicht passiert, gibt sich Schwesig überzeugt. Die Kinder müssten einfach lernen, "wie sie gut und souverän mit Medien umgehen".

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