Diskussion bei der BAPP Über Anstand lässt sich streiten
BONN · Gerechtigkeit - ein großes Wort, ein vages, unscharfes dazu, eines, das auch mit Verteilung, Egoismen und ganz viel Neid zu tun hat. Was gerecht ist, und wie sich der Wunsch nach Gerechtigkeit mit der Wirklichkeit zusammenbringen lässt, war am Mittwochabend Thema der Bonner Akademie für Forschung und Lehre Praktischer Politik (BAPP).
Das statistische Mittel, so viel machte Akademie-Präsident Bodo Hombach schon in der Einleitung deutlich, sorge nur bedingt für Gerechtigkeit: "Da macht eine Familie eine Wanderung und der Sohn trägt den schweren, der Vater den leichten Rucksack. Denn: Brutto wiegen sie so alle gleich viel." Aber ist diese Lastenverteilung fair?
Gerechtigkeit und Gleichmacherei wollte Armin Laschet, Chef der NRW-CDU, jedenfalls nicht vermischen. Er betonte: "Der Kerngedanke moderner Sozialpolitik ist Chancengerechtigkeit." Kinder müssten unabhängig von ihrer Herkunft und dem Bildungshorizont der Eltern - und ermöglicht durch die Politik - gleiche Optionen auf sozialen Aufstieg haben. Dabei darf das Endergebnis seiner Meinung nach gern verschieden, mancher würde Ungerechtigkeit monieren, ausfallen: "Wer sich mehr anstrengt, mehr arbeitet, der darf doch auch mehr verdienen. Das sei ihm gegönnt!"
Dass trotz aller Umverteilung und Jahrzehnten der Sozialpolitik noch immer vieles im Argen liegt, daran wollte Rocksänger Peter Maffay keinen Zweifel lassen: "Wenn es Gerechtigkeit gäbe, dann müssten wir ja hier nicht sitzen und darüber reden." Dass die Debatte über Steuersünder und -Oasen wie das kleine Luxemburg so selbstgefällig von Deutschland wegführte, ließ er nicht zu: "Ich zahle Steuern in Deutschland, habe aber nicht den Eindruck, dass mit den Steuern gerechte Dinge entstehen." Schieflagen im Bildungssektor, Lobbyismus, Ausgaben für Rüstung zählte er auf, und es wäre ihm noch mehr eingefallen - "aber ich weiß nicht, ob wir hier heute Abend so viel Zeit haben."
Der Staat als Reparaturbetrieb und Krankenwagen bei Gerechtigkeitspannen? Da war man sich in abgestuften Nuancen einig. Ohne Steuerung und staatliches Recht, meint Laschet, wäre angesichts aller menschlichen Schwächen ein weit ungerechterer Alltag Wirklichkeit. Trotz staatlicher Regelungen, betonte Peter Maffay, sei der Einzelne nicht befreit von der Pflicht, selbst gerecht und mit Anstand zu handeln: "Der Staat, der fängt ja beim Einzelnen an!"