Grünen-Bundesparteitag in Halle "Mit Mut im Bauch"

BERLIN · Tagesordnungspunkt 4 hat einen schlichten Titel: "Paris". Wenn sich die Grünen von heute an für drei Tage zu ihrem 39. Bundesparteitag in Halle an der Saale versammeln, tun sie das nicht nur "Mit Mut im Bauch", wie sie ihre Delegiertenkonferenz überschrieben haben, sondern auch unter dem Schock der Terroranschläge von Paris.

 Eilresolution zum Terror: Parteichef Cem Özdemir.

Eilresolution zum Terror: Parteichef Cem Özdemir.

Foto: dpa

Der Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen, den die rund 800 Delegierten am Samstag neu wählen, will dem Parteitag am Abend eine "Eilresolution" vorlegen, in der die Grünen den Anschlag verurteilen und den Franzosen ihre Solidarität versichern. Parteichef Cem Özdemir wird den Eilantrag einbringen.

Die Grünen verteidigten Demokratie und Freiheit und stünden "für eine besonnene Außen- und Sicherheitspolitik", betonte der Politische Bundesgeschäftsführer, Michael Kellner. Wegen der besonderen Sicherheitslage stehe die Partei mit dem Landeskriminalamt und dem Bundeskriminalamt "in Kontakt", um den Parteitag zu sichern.

Zugleich wollen die Grünen, die 2016 wichtige Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt zu bestehen haben, sich ebenfalls noch heute Abend dem Thema "Einwanderungsgesellschaft" widmen. Die Partei trete seit jeher für eine "menschliche Flüchtlingspolitik" und für Deutschland als "modernes Einwanderungsland" ein, betonte Kellner.

Nach den Worten des Politischen Bundesgeschäftsführers sind aus den Unionsparteien in der Frage des Zuzugs von Flüchtlingen immer mehr Stimmen zu hören, die den Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel ("Wir schaffen das") konterkarierten, getreu der Devise: "Wir wollen das nicht schaffen." Streit könnte es über eine Passage des Leitantrages des Bundesvorstandes zur Einwanderungsgesellschaft geben.

Dazu heißt es in dem Antrag zur Perspektive von Asylbewerbern in Deutschland: "Dabei ist klar, dass nicht alle, die in Deutschland Asyl beantragen, auch bleiben können."

Änderungsanträge für einen besseren Schutz von Flüchtlingen

Die Grünen stimmen sich bei ihrem Parteitag in Halle auf drei wichtige Landtagswahlen im März 2016 ein. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wollen die Grünen ihre Regierungsbeteiligung verteidigen und dafür sorgen, "dass Winfried Kretschmann Ministerpräsident bleiben kann", wie Kellner sagte. In Sachsen-Anhalt, wo die Grünen 2011 auf 7,1 Prozent gekommen waren, wolle man "zulegen".

Der 67 Jahre alte Kretschmann ist seit der Landtagswahl 2011 im Südwesten erster Ministerpräsident der Grünen. In der Partei heftig kritisiert wurde Kretschmanns Haltung bei der Einstufung sogenannter sicherer Herkunftsstaaten bei Ländern des westlichen Balkans. Gegen massiven Protest aus dem Grünen-Lager hatte Kretschmanns grün-rote Landesregierung im vergangenen Jahr im Bundesrat dafür gestimmt, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sicheren Herkunftsländern zu erklären.

Anträge von Asylbewerbern aus diesen Staaten gelten seither als nahezu aussichtslos. Im Gegenzug für diesen Asylkompromiss habe die Bundesregierung aber Lockerungen bei der Residenzpflicht sowie für eine leichtere Arbeitsaufnahme von Asylbewerbern Zugeständnisse gemacht, hatte Kretschmann sein Ja für eine Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten verteidigt.

Zudem liegt dem Parteitag ein Antrag des Bundesvorstandes für eine Urwahl der Grünen-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2017 vor. Bereits 2013 waren die Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin in einer Urwahl bestimmt worden. Im Falle von Koalitionsverhandlungen unter Grünen-Beteiligung nach der Bundestagswahl 2017 soll der Parteitag beschließen, dass auch über einen möglichen Koalitionsvertrag gleichfalls in einer Urwahl abgestimmt wird.

Die Grünen-Parteichefs Simone Peter und Cem Özdemir müssen in Halle für eine Wiederwahl gegen (unbekannte) Konkurrenz antreten. Neben Peter bewirbt sich auch die Brandenburgerin Sonja Karas um den Parteivorsitz, gegen Özdemir tritt Alexander Merkouris vom Kreisverband Ingolstadt an.

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