Mehrheit für Juncker Misstrauensvotum gegen Kommissionschef ohne Chance

STRASSBURG · Jean-Claude Juncker muss den kommenden Donnerstag nicht fürchten. Drei Tage nach der heftigen Debatte am gestrigen Montagabend wird das Europäische Parlament in Straßburg dann über das Misstrauensvotum gegen den heutigen Kommissionspräsidenten und früheren luxemburgischen Premier abstimmen.

Doch seit gestern Abend ist klar: Christ- und Sozialdemokraten, Grüne und Liberale werden dem Antrag der ECR-Fraktion des britischen EU-Gegners Nigel Farage und der französischen "Front National"-Chefin Marine Le Pen nicht folgen.

"Wir wollen den Zustand beenden, dass sich Großkonzerne ihrer Steuerpflicht entziehen", sagte der Vorsitzende der christdemokratischen EVP-Fraktion, Manfred Weber, in der hitzigen Debatte. "Dazu brauchen wir Jean-Claude Juncker und diese Kommission."

Noch deutlicher wurde Gianni Pitella, der Chef der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament. Er warnte vor den Folgen eines erfolgreichen Misstrauensvotums, dass diese "EU an den Abgrund bringen werde", weil es Monate dauern würde, eine neue Kommission zusammenzustellen und zu wählen.

"Das für Mittwoch angekündigte 300-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm für mehr Jobs wäre hinfällig, aber genau das brauchen wir", erklärte der Italiener.

Dagegen betonte Marine Le Pen, Luxemburg habe "Steuerhinterziehung im großen Stil betrieben", die dazu führte, dass "Franzosen und die Bürger anderer Länder mehr Abgaben zahlen mussten". Es sei eine "Schande", was passiert sei - noch dazu von einem Mann, der als Regierungschef für seine europäische Arbeit hochgeschätzt wurde. "Das war ein Fehler."

Dennoch offenbarte die teilweise erbitterte und von beleidigenden Vorwürfen durchsetzte Diskussion durchaus so etwas wie eine gemeinsame Linie, stellte der beschuldigte Kommissionspräsident selbst abschließend fest.

"Wenn ich das recht verstehe, unterstützen mich eigentlich alle Fraktionen in dem Bemühen, einen Richtlinien-Entwurf vorzulegen, um die Besteuerung der Unternehmen auf eine gemeinsame Bemessungsgrundlage zu stellen", betonte Juncker. Er werde die Abgeordneten beim Wort nehmen und von ihnen verlangen, dass sie in ihren Heimatländern dafür sorgen, eine solche Regelung dann auch durchzusetzen. "Denn ein solches Projekt ist schließlich bisher an den Mitgliedstaaten gescheitert."

Tatsächlich hat der Luxemburger unmittelbar nach den ersten Enthüllungen der 548 Steuerspar-Modelle des Großherzogtums, bei denen mit Hilfe einer Beratungsfirma rund 340 Konzernen wie Amazon, Pepsi-Cola oder Ikea niedrige Abgabensätze angeboten worden waren, Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici mit der Ausarbeitung eines solchen Vorschlags betraut. Er werde spätestens im Frühjahr 2015 erwartet, hieß es gestern Abend in Straßburg.

Ob die 28 Regierungen dann allerdings mitziehen, erscheint derzeit noch unsicher. Immerhin gibt es vergleichbare Steuersparmodelle für Unternehmen derzeit in 22 der 28 Mitgliedstaaten.

Darunter übrigens auch auf der zum Vereinigten Königreich gehörenden Isle of Man, wofür sich ausgerechnet der britische EU-Gegner und Chef der europakritischen Ukip-Partei, Nigel Farage, stark gemacht hatte, der nun zu den Unterstützern des Misstrauensvotums zählt.

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