Deutsche Bischofkonferenz Mehr Fürsorge am Lebensende

FULDA · Karl Kardinal Lehmann (77), der populärste deutsche Bischof, braucht neuerdings einen Krückstock. Die Knie. Doch als er in der Bibliothek der Fuldaer Theologischen Fakultät Platz nimmt, ist er ganz der alte Kämpfer für mehr Menschlichkeit in der Gesellschaft.

Diesmal geht es ihm um die umstrittene Sterbehilfe, mit der sich der Deutsche Bundestag seit langem herumplagt und für Ende 2015 eine Entscheidung ohne Fraktionszwang ankündigt. Kardinal Lehmann freilich macht namens der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, die am Abend des gestrigen Donnerstags nach viertägiger Dauer in Fuldaer Priesterseminar zu Ende ging, deutlich: Die 66 (Erz-)Bischöfe und Weihbischöfe bleiben bei ihrer Forderung nach einem gesetzlichen Verbot jeglicher Formen der organisierten Beihilfe zur Selbsttötung.

Zugleich hat die Deutsche Bischofskonferenz unter dem Titel "Sterben in Würde - Worum geht es eigentlich?" in einer Erstauflage von 800 000 Exemplaren einen Flyer herausgegeben, der nicht nur die Position der katholischen Kirche (die weithin mit der evangelischen identisch ist) verdeutlicht, sondern auch die wichtigsten Begriffe der Auseinandersetzung wie "aktive Sterbehilfe", "assistierter Suizid" oder "passive Sterbehilfe" und "Palliativmedizin" erläutert. Eine wichtige Hilfe für Menschen, die das Gespräch in der Kirche oder mit Politikern suchen.

Kardinal Lehmann weiß selbstverständlich um die in Umfragen untermauerte Popularität der Forderung nach einem selbstbestimmten Leben auch im Angesicht des Todes. Wollen die Kirchen Menschen alleinlassen, denen kein Arzt mehr helfen kann? Das ist nicht die Position der katholischen Kirche, macht Kardinal Lehmann deutlich: Die Palliativmedizin muss weiter ausgebaut werden. Medizin muss gefördert werden, die auch das Leben am Ende erträglich macht. Hospize sind weiter zu fördern. Aber auch die Seelsorge im Krankenhaus und am Krankenbett zu Hause ist gefragt. Auch haben die Kirchen keine Einwände gegen die sogenannte passive Sterbehilfe, die dem Arzt in aussichtslosen Fällen das Beenden einer bestimmten Therapie ermöglicht, durch das der Sterbeprozess beschleunigt wird.

Aktive Sterbehilfe - sei es durch Verlangen von Patienten nach einem schnellen Tod durch den Arzt oder durch Vereine gegen Entgelt oder vermeintlicher Gemeinnützigkeit - aber wird abgelehnt. Befürworter hingegen verweisen auf entsprechende Möglichkeiten in Nachbarländern wie Niederlande, Belgien oder Schweiz. Was unterscheidet die Sterbehilfe vom Suizid? Sie gleicht dem Suizid als eine Art "eigener Tod" von fremder Hilfe, sagt Kardinal Lehmann: "Tötung wird neu legitimiert. Sie ist eine Dienstleistung." Das aber muss unter allen Umständen verboten bleiben.

Große Sorge bereitet dem Kardinal die zunehmende Ökonomisierung des Lebens: Alte, behinderte oder sterbenskranke Menschen kommen sich zunehmend überflüssig, ja der Familie zur Last fallend vor und wollen auch der Gesellschaft Geld ersparen. Doch Kardinal Lehmann hält dagegen: "Die Würde des Menschen gründet nicht in seiner Leistung oder in dem Nutzen, den er für andere hat. Die Würde des Menschen folgt daraus, dass Gott ihn bejaht."

Kölns neuer Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki ist in der Deutschen Bischofskonferenz kein Unbekannter. Schließlich gehörte er ihr schon als Kölner Weih- und als Berliner Erzbischof an. Dennoch war man auf seine erste Predigt als Kölner Oberhirte gespannt.

Er setzte sich darin für mehr Inklusion behinderter Menschen ein. Dass viele Kinder mit Behinderung heute in Regelschulen eingeschult werden, hält er "grundsätzlich für gut": "Allerdings nur, wenn die notwendigen Bedingungen stimmen."

Trotz dieser Fortschritte sieht Kardinal Woelki die Chancen für Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt "immer schlechter". Zugleich verwahrt er sich dagegen, dass durch pränatale Tests Behinderung immer mehr als "vermeidbares Übel" angesehen wird.

Bitter beklagt er sich darüber, dass sich in Gottesdiensten in Deutschland viele Menschen durch behinderte Kinder gestört fühlen. Kardinal Woelki: "Inklusion heißt. nicht nur Rampen zu den Kirchtüren zu bauen und Hörschleifen für Schwerhörige bereitzustellen. Inklusion fängt bei uns selbst an."

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