Interview mit Brunhild Kurth "In Sachsen ist G8 erfolgreich"

BONN · Zu ihrem Antrittsbesuch war die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), die sächsische Ressortchefin Brunhild Kurth, in dieser Woche in Bonn. Mit ihr sprach Bernd Eyermann.

 "Wir wollen den Bildungsföderalismus nicht über Bord werfen", sagt Brunhild Kurth, die neue Präsidentin der Kultusministerkonferenz - hier beim Besuch des Standorts Bonn an der Graurheindorfer Straße.

"Wir wollen den Bildungsföderalismus nicht über Bord werfen", sagt Brunhild Kurth, die neue Präsidentin der Kultusministerkonferenz - hier beim Besuch des Standorts Bonn an der Graurheindorfer Straße.

Foto: Horst Müller

Wie war der Empfang?
Brunhild Kurth: Sehr schön. Ich habe freundliche, nette und engagierte Menschen getroffen.

Sind die Mitarbeiter Ihnen nicht gram, weil Ihr Generalsekretär Udo Michallik entschieden hat, an diesem Rosenmontag erstmals keinen freien Tag zu geben - wie in all den Jahren zuvor?
Kurth: Mit den Mitarbeitern und dem Personalrat habe ich durchaus über Karneval gesprochen, der bei uns in Sachsen Fasching heißt. Wir konnten auch herzhaft lachen. Der Generalsekretär hat eben so entschieden.

Wie wichtig ist Ihnen der Standort Bonn?
Kurth: Sehr wichtig, nicht nur von der Anzahl der Mitarbeiter - hier sitzen zwei Drittel, in Berlin nur ein Drittel -, sondern auch von den inhaltlichen Abläufen. Hier laufen wichtige Prozesse.

Kommen wir zu den Inhalten. In Sachsen gibt es die Oberschule, in NRW hat die Gesamtschule großen Zulauf, in Hamburg gibt es wieder andere Schulen - haben Sie noch den Durchblick, wo welche Schulform zu Hause ist?
Kurth: Welchen Namen ich welcher Bildungseinrichtung gebe, ist nicht wichtig. Wichtig ist, wie vergleichbar die Bildungsinhalte sind, damit Kinder nicht ins Hintertreffen geraten, wenn sie mit ihren Eltern von einem in ein anderes Bundesland umziehen. Die Frage ist: Was muss ein Schüler am Ende der vierten oder zehnten Klasse bringen? Wir wollen den Bildungsföderalismus nicht über Bord werfen.

Was spricht denn gegen ein einheitliches Schulsystem in Deutschland?
Kurth: Der Bildungsföderalismus ist ein hohes Gut, bei dem Länderspezifika Beachtung finden. Außerdem ist die Frage: Welches wäre das Bildungssystem, das über ganz Deutschland gestülpt werden könnte?

Wenn man nach den PISA-Studien geht, vielleicht das sächsische?
Kurth: Ich bin eher dafür, dass wir uns ansehen, wer in welchen Bereichen gut aufgestellt ist, und dass wir dann von den anderen lernen: In Sachsen sind wir bei den Naturwissenschaften gut, können aber bei Fremdsprachen noch aufholen.

Stichwort Vergleichbarkeit. Wie steht es denn um ein Abitur für ganz Deutschland?
Kurth: Da sind wir auf einem guten Weg. Derzeit wird ein Aufgabenpool gefüllt, aus dem sich die einzelnen Länder ab 2017 bedienen sollen. Wir zeigen dadurch: Die KMK steht für Vergleichbarkeit im Abitur. Sechs Länder in Nord-, Ost- und Süddeutschland stellen ja jetzt schon gemeinsame Abituraufgaben in Mathematik, Deutsch und Englisch.

Wie betrachten Sie die Diskussion um das acht- oder neunjährige Gymnasium?
Kurth: Abrupte Änderungen im Schulsystem sind nicht förderlich.

Dann finden Sie es also auch nicht gut, dass Niedersachsen von G8 wieder auf G9 zurückgeht?
Kurth: Ich will mal von Sachsen sprechen. 1990 gab es keine Diskussion darüber, wieder zu neun Jahren zurückzugehen. Und es ist immer noch kein Thema. Ich plädiere dafür, nicht zwischen G8 und G9 hin und her zu schwenken. Es kommt vielmehr darauf an, G8 wie in Sachsen zu einem erfolgreichen Modell werden zu lassen.

Und warum ist G8 in Sachsen aus Ihrer Sicht erfolgreich?
Kurth: Unsere Lehrpläne sind so ausgerichtet, dass wir unseren G8-Schülern die Kinder- und Jugendzeit nicht rauben. Bei uns haben sie sehr wohl noch die Möglichkeit, die Musikschule zu besuchen oder in die Sportarbeitsgemeinschaft zu gehen. Trotzdem legen sie am Ende der Jahrgangsstufe 12 ein sehr anspruchsvolles Abitur ab, in dem alle Naturwissenschaften belegt werden müssen. Wenn Inhalte und Organisation richtig auf G8 ausgerichtet sind, dann gelingt G8.

In Niedersachsen sieht man es anders.
Kurth: Das sind länderspezifische Diskussionen. Eines darf man nicht vergessen: Die Pläne und die Schulabläufe müssen angepasst werden. Ich kann aus G9 nicht G8 machen, ohne Inhalte zu ändern.

Der frühere Vorsitzende der Telekom Stiftung, Klaus Kinkel, hat jüngst im GA gesagt, er bedauere diesen Flickenteppich aus G8 und G9. "Die Kultusministerkonferenz müsste es doch fertig bringen zu sagen, was Sache ist".
Kurth: Das ist ein typischer Klaus Kinkel. Es geht uns nicht um eine uniforme Kinder- und Jugendbildung in Deutschland. Wir wollen eine Vergleichbarkeit, ohne die Länder auf einen bestimmten Weg festzulegen.

Sie wollen die leistungsstarken Schüler mehr in den Mittelpunkt stellen. Bisher standen eher die schwachen Schüler im Fokus - Stichwort: Defizite beheben. Was ist Ihr Beweggrund?
Kurth: Durch individuelle Förderung haben wir in den letzten Jahren bei jenen Schülern, die einer besonderen Unterstützung bedürfen, einige Fortschritte erzielt. Wir können es uns aber nicht leisten, die starken Schüler hinten runter fallen zu lassen. Das ist für mich auch Chancengerechtigkeit.

Aber es gibt weiterhin viele Schüler, die Schwierigkeiten haben.
Kurth: Die wollen wir auch nicht vernachlässigen. Wir brauchen aber Leistungsträger für unsere Wirtschaft und unsere wissenschaftliche Entwicklung. Ich wünsche mir, dass wir mehr Teilnehmer an Wettbewerben wie "Jugend forscht" bekommen, weil Wirtschaftsexperten den Fokus dort auf junge Menschen richten.

Zur Person

Die 60-jährige Parteilose Brunhild Kurth ist seit knapp drei Jahren sächsische Kultusministerin, zunächst in der schwarz-gelben, seit vorigem Jahr in der schwarz-roten Landesregierung. Sie stammt aus Burgstädt bei Chemnitz. Dort ging sie zur Schule und unterrichtete insgesamt 25 Jahre lang als Biologie- und Chemielehrerin am Gymnasium.

Von 1990 bis 2001 leitete sie zudem die Schule. Es folgten diverse Stellen in der sächsischen Schulverwaltung. Zum 1. Januar übernahm sie turnusgemäß für ein Jahr die KMK-Präsidentschaft. Kurth ist verheiratet und hat eine Tochter.

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