Ministerienumzug von Bonn nach Berlin Hendricks will alle Ministerien in die Hauptstadt holen

Bonn/Berlin · Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) geht in die Umzugsoffensive: Sie will alle Ministerien in die Hauptstadt holen.

Am Mittwoch geht Barbara Hendricks wieder in die Offensive. In der Berliner Jerusalemkirche tagt das "7. Nationale Forum zur biologischen Vielfalt" und Hendricks, Bundesministerin für Umwelt und Bau, will vorher das Handlungsprogramm "Naturschutzoffensive 2020" vorstellen, mit der eine Trendwende für mehr biologische Vielfalt geschaffen werden soll.

Offensive, Vielfalt, Trendwende - alles Begriffe, die sich auch mühelos auf die seit einigen Tagen wieder laufende Debatte über einen Gesamtumzug der Bundesministerien von Bonn nach Berlin übertragen lassen. Wenn Hendricks in die Offensive geht, hat dies zuletzt meist keine guten Nachrichten für die Stadt und die Region Bonn bedeutet.

Der Trend, den Hendricks, die als Bundesbauministerin auch Umzugsbeauftragte der Bundesregierung ist, setzen möchte, ist offensichtlich: Sie will - so nennt sie das - einen "geordneten Prozess" in Gang bringen, um den Rutschbahneffekt, in dessen Folge ministerielle Arbeitsplätze gleich zu Tausenden von Bonn nach Berlin verlagert wurden, zu steuern. Das ist schön gesprochen für die Region Bonn.

Bonn zum Ausgleich als UN- und Wissenschaftsstandort ausbauen

Tatsächlich aber verfolgt Hendricks noch ein anderes Ziel. Sie will - auf einer Strecke von 20 Jahren - alle Bundesministerien nach Berlin holen - und zum Ausgleich für den (Bedeutungs-)Verlust Bonn als UN- und Wissenschaftsstandort ausbauen. In ihrem Ministerium heißt es zum politischen Ziel der Ministerin inzwischen unverblümt: "Das ist die Absicht. Die Ministerien sollen umziehen."

Warum geht Hendricks jetzt mit dem Thema nach vorne? Mit einigem Kalkül haben sie in der SPD gewartet, bis die Oberbürgermeister-Wahl in Bonn gelaufen war. Schon vor Monaten war in Reihen der Sozialdemokraten zu hören, dass Hendricks bald nach der OB-Wahl in Bonn in die Umzugsoffensive gehen werde. Und so kam es dann auch. Im Mai hatte Hendricks in vertrauter Runde bereits durchblicken lassen, dass sie es langfristig nicht für realistisch halte, davon auszugehen, dass Bonn Sitz der Bundesregierung bleibe.

Sie deutete noch in dieser Legislaturperiode eine Initiative an. "Bild am Sonntag" will bereits davon erfahren haben, dass Hendricks an einem Umzugsgesetz arbeiten lasse, was das Bundesbauministerium aber dementiert. Tatsächlich soll "in den nächsten Monaten" ein sogenannter Statusbericht über die Teilung der Ministeriumssitze in Berlin und in Bonn vorgelegt werden. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es noch in zwei schlichten Sätzen: "Wir stehen zum Bonn-Berlin-Gesetz. Bonn bleibt das zweite bundespolitische Zentrum."

Salami-Taktik der Ministerin

Satz zwei mag sich auch in der Zukunft bewahrheiten. Satz eins stimmt schon heute nicht mehr. Gerade mal ein Drittel der 20 000 Dienstposten befindet sich noch am Rhein, obwohl nach den Bonn-Berlin-Gesetz mehr als die Hälfte der Ministerialbediensteten in Bonn arbeiten sollten. Hendricks vergangene Woche im GA: "Ich bin sehr dafür, die Debatte offen und ehrlich zu führen. Viel zu lange hat man sich davor gedrückt, diese Entwicklung überhaupt zur Kenntnis zu nehmen." Der Bonner Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber (SPD) sieht auch die Kanzlerin in der Pflicht. "Das Kanzleramt ist für die Einhaltung des Bonn-Berlin-Gesetzes zuständig. Die Bundeskanzlerin hat sich regelmäßig zum Gesetz bekannt, aber zugelassen, dass es immer weiter kaputt gemacht wird."

Doch die Wahrheit über die Pläne der Bundesregierung, alle Ministerien nach Berlin zu holen, kommt nur scheibchenweise ans Licht. Salami-Taktik. Schon Thomas de Maizière, gebürtiger Bonner und seit vielen Jahren Wahl-Dresdner, machte in seiner Zeit als Verteidigungsminister aus seiner Präfenz für konzentrierte Regierungsarbeit in Berlin keinen Hehl. Er wolle "so viele Mitarbeiter wie möglich" vom zweiten Dienstsitz des Ministeriums in Bonn nach Berlin versetzen, kündigte er schon vor vier Jahren im GA-Interview an. "Es ist für mich ganz und gar undenkbar, dass ich Standorte in strukturschwachen Gebieten schließe und gleichzeitig den Köln-Bonner-Raum privilegiere."

Thomas de Maizière unterstützt Hendricks

Und: "Es gibt keine einzige Gegend in Deutschland, die von der Politik derart begünstigt worden ist" wie der Bonner Raum. De Maizière, der den Vertretern Bonns immer wieder geraten hatte, den Umzugsprozess nach Berlin "proaktiv" zu begleiten, ist auch jetzt voll an Seite seiner Kabinettskollegin Hendricks, wenn es darum geht, weitere Ministerien von Bonn nach Berlin zu holen. Er werde zwar "keine eigene Initiative" ergreifen, aber er habe mit Hendricks über dieses Thema gesprochen. "Ich werde sie bei dem von ihr angekündigten Prozess unterstützen", ließ sich de Maizière vernehmen.

So will Hendricks erst den Statusbericht zur Teilung der Ministeriumssitze abwarten, dann den Report auswerten, dann Gespräche mit der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen und Vertretern von Stadt und Region Bonn aufnehmen. Auffallend: Die Landesregierung verhält sich leise, was die deutlichen Umzugspläne angeht. Bloß keine schlafenden Tiger wecken.

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