Die Bundestagsparteien in der Analyse: CDU/CSU Haarrisse im Gefüge der Macht

Angela Merkel ist in der deutschen Politik der zentrale Bezugspunkt - für Anhänger wie für Gegner. Da im Bund gegen die Kanzlerin auf absehbare Zeit nichts geht, suchen sich die Parteistrategen Politiknischen und bereiten den Boden für die Nach-Merkel-Ära.

 Nicht auf Augenhöhe: die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer.

Nicht auf Augenhöhe: die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer.

Foto: dpa

Die Stabilität der Union ist von der Griechenland-Krise bedroht

Die Lage

Die Union kann sich wirklich nicht beklagen. Sie ist die mit großem Abstand stabilste politische Kraft Deutschlands. In der Sonntagsfrage liegen die Christdemokraten und -sozialen stabil klar über 40 Prozent der Stimmen. Das Vertrauen der Bürger in Bundeskanzlerin Angela Merkel, aber auch in Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist ungebrochen. Konfliktträchtige Reformvorhaben gibt es in der großen Koalition nicht mehr. Zuversichtlich blickt die Partei in Richtung Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, wo im Frühjahr strategisch bedeutende Siege zumindest erreichbar sind.

Das Problem

Dennoch sind die Dinge nicht so harmonisch, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Zwei Dinge müssen Parteichefin Angela Merkel ernsthaft beunruhigen. Noch nie in ihrer zehnjährigen Kanzlerschaft war die Stimmung in der Bundestagsfraktion so angespannt wie derzeit. Grund ist der Griechenland-Kurs. Immer mehr Abgeordnete verweigern ihrer Kanzlerin auch in Abstimmungen die Gefolgschaft. Wirklich überzeugt von den immer neuen Hilfspaketen ist nur noch eine kleine Minderheit in der Fraktion.

Zudem haben sich Haarrisse im Gefüge der Macht gezeigt: Es ist ein offenes Geheimnis, dass Wolfgang Schäuble den Griechenland-Kurs eher aus Loyalität denn aus Überzeugung mitträgt. Das ist für die Kanzlerin brandgefährlich, denn die Abgeordneten schätzen Merkel, weil sie Wahlerfolge garantiert. Aber Schäuble bringen sie eine Mischung aus Respekt und Verehrung entgegen. Merkel darf sie nie in eine Situation führen, wo die Parlamentarier zwischen beiden Personen wählen müssten.

Das zweite Problem ist die eklatante Schwäche der Union in den Großstädten. Jüngst ging auch noch Dresden verloren. Die Union hat den Anschluss an städtische Milieus verloren - und das gefährdet die Wahlchancen gerade in Kernländern wie Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen.

Die Strategie

Die Union hat etliche Kommissionen tagen lassen, die der Partei eine behutsame Modernisierung verschrieben haben. Ergebnis: Die Union öffnet sich allmählich der Forderung nach einem Einwanderungsgesetz. Das Thema schnelles Internet soll intensiv aufgenommen werden. Aber alles hat Grenzen: Das von den Verfassungsrichtern verordnete Ende des Betreuungsgeldes wäre eine Gelegenheit, das Familienbild zu modernisieren. Aber derzeit ist nur von Ersatz die Rede, nicht von Abschaffung. Und noch eines: Die Homo-Ehe ist mit der Union weiterhin nicht zu machen.

Schäuble ist nun der eigentliche Star der Partei, weil Bürger wie Unionsabgeordnete in ihm den Garanten dafür sehen, dass der Griechenland-Konflikt das ganze Euro-Projekt nicht in den Abgrund reißt. Die Vize-Vorsitzende Julia Klöckner wird vor der Wahl in Rheinland-Pfalz mächtig in den Vordergrund rücken.

Einen steilen Aufstieg - als neues Präsidiumsmitglied der CDU und als neuer Staatssekretär im Finanzministerium - hat Jens Spahn hingelegt. Dagegen gibt es über Horst Seehofer, den CSU-Vorsitzenden, nur noch Kopfschütteln. Die CSU-Prestigeprojekte Maut und Betreuungsgeld erleiden gerade Schiffbruch, und schon stellt er sich bei einem neuen Thema lautstark auf - Erbschaftsteuer. Die nächste Pleite ist programmiert.

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